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Zusammenfassung: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am 2. Mai 2006 entschieden, daß die Fuckparade 2001 in ihrer ursprünglich angemeldeten Form ohne Redebeiträge keine Demonstration gewesen wäre. Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ist wegen der grundlegenden Bedeutung des Urteils zugelassen.

OVG 1 B 4.05
VG 1 A 271.01 Berlin

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Im Namen des Volkes
Urteil

In der Verwaltungsstreitsache des Herrn Martin Kliehm, Kläger, Berufungskläger und -beklagter,

bevollmächtigt:
Rechtsanwältin Inka Bock, […] Frankfurt am Main

gegen

das Land Berlin, vertreten durch den Polizeipräsidenten in Berlin, Stab PPr, Stab 6, Platz der Luftbrücke 6, 12096 Berlin, Beklagter, Berufungskläger und -beklagter,

hat der 1. Senat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2006 durch

  • den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Monjé,
  • die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Blumenberg und
  • die Richterin am Oberverwaltungsgericht Fischer-Krüger

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. November 2004 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die „Fuckparade 2001“ als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu behandeln war und ob der Beklagte durch Verwaltungsakt feststellen durfte, die Anmeldung dieser Veranstaltung als Versammlung nicht entgegenzunehmen.

Der Kläger meldete mit Schreiben vom 19. März 2001 für den 14. Juli 2001 die „Fuckparade 2001 – 5 Jahre Hateparade“ als Demonstration an. Die als Gegenveranstaltung zur Love Parade gedachte Veranstaltung sollte in der Zeit zwischen 14 und 24 Uhr in der Gestalt eines Sternmarsches auf drei näher bezeichneten Routen durch die Bezirke Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain zum Alexanderplatz führen. Dort sollte eine Abschlusskundgebung stattfinden. Gerechnet wurde mit etwa 10.000 Teilnehmern, die von 40 bis 50 Lautsprecherwagen begleitet werden sollten, von denen aus verschiedene Discjockeys Techno-Musik unterschiedlicher Stile spielen sollten. Als Themen der Veranstaltung wurden angegeben „Keine Zensur durch Kommerz“, „Love Parade raus aus dem Tiergarten“, „Leben statt Hauptstadtwahn“, „Keine Party ist illegal“. Während des Sternmarsches sollten 20.000 Handzettel verteilt werden, die die genannten Forderungen formulierten und sich gegen die Love Parade richteten.

Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 14. Mai 2001 entschied der Beklagte, dass die Anmeldung der „Fuckparade 2001“ nicht als Anmeldung einer Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes entgegen genommen und bestätigt werden könne, und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: In der beabsichtigten Veranstaltung könne keine für den Versammlungsbegriff konstitutive Teilnahme am kollektiven Meinungs- und Willensbildungsprozess gesehen werden. Die Rolle der Teilnehmer sei auf das Zuhören und Tanzen bei der musikalischen Darbietung beschränkt. Das Verteilen der Handzettel und die Spruchbänder an den Trucks gäben der Veranstaltung nicht das entscheidende Gepräge. Der die Veranstaltung prägenden Musik fehle hingegen jeder politische oder sonstige Inhalt. Durch die beliebig austauschbare Musik werde kein Bezug zu bestimmten Themen geschaffen, so dass die Veranstaltung mit einem modernen Volksfest vergleichbar sei. Aber auch in der Annahme des weiten Versammlungsbegriffes, der eine wie auch immer geartete Verbindung zwischen den Teilnehmern ausreichen lasse, läge keine Versammlung vor. Musik und Tanz ließen keine hinreichende innere Verbindung zwischen den Teilnehmern entstehen.

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stellte zunächst das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Juni 2001 (VG 1 A 166.01) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen den Bescheid vom 14. Mai 2001 wieder her. Auf die Beschwerde des Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. Juli 2001 (OVG 1 S 11.01) den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zurück. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts lehnte den Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 12. Juli 2001 ab (1 BvQ 28/01) und begründete im Wesentlichen folgendermaßen: Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, den Begriff der Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes in Anlehnung an den verfassungsrechtlichen Versammlungsbegriff zu deuten und auf Veranstaltungen zu begrenzen, die durch eine gemeinschaftliche, auf Kommunikation angelegte Entfaltung mehrerer Personen gekennzeichnet seien. Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen fielen unter den Versammlungsbegriff ebenso wenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühls dienten oder die als eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht seien, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von sog. Subkulturen ausdrücke oder dem Mehrheitsgeschmack entspreche. Demgemäß sei es verfassungsrechtlich tragfähig, die „Fuckparade“ nicht als Versammlung aufzufassen. Eine Musik- und Tanzveranstaltung werde nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgten. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die rechtliche Beurteilung danach zu richten, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung sei oder ob der Spaß-, Tanz- oder Unterhaltungszweck im Vordergrund stehe.

Das Verwaltungsgericht hat auf die Klage, mit der der Kläger die Feststellung, dass die angemeldete „Fuckparade 2001“ eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes war, und hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 14. Mai 2001 begehrt hatte, durch Urteil vom 23. November 2004 festgestellt, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig war, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kammer hat die Klagebegehren für zulässig gehalten. Das besondere Feststellungsinteresse für die Feststellungs- und die Fortsetzungsfeststellungsklage ergebe sich aus dem möglichen erheblichen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit und unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr. Der Feststellungsklage stehe auch nicht deren Subsidiarität entgegen. Die Klärung des Versammlungscharakters der „Fuckparade 2001“ sei das Kernanliegen des Klägers. Auf diese Frage komme es im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht zwingend an. Das Feststellungsbegehren sei unbegründet, da die angemeldete „Fuckparade 2001“ keine Versammlung gewesen sei. Für die Annahme einer Versammlung reiche es nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrem gemeinsamen Verhalten durch irgendeinen Zweck miteinander verbunden seien. So genügten Musik- und Spaßveranstaltungen nicht dem Versammlungsbegriff, der auf die gemeinschaftliche Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ziele. Ob sich eine Veranstaltung als Versammlung darstelle, beurteile sich anhand verschiedener Indizien und Kriterien auf Grund der Einzelfallumstände. Elemente der Meinungskundgabe müssten für Außenstehende deutlich wahrnehmbar sein, z.B. durch Redebeiträge, Transparente, Plakate oder Flugblätter. Im Gegensatz dazu fehle es an der Versammlungsqualität, wenn die Meinungskundgabe nur vorgeschoben sei, wenn inhaltsleere, beliebige Parolen und Leitsprüche verwendet würden und wenn kein konkreter Bezug zu einem bestimmten Anlass bestehe. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe weise die „Fuckparade 2001“ zwar Elemente der Meinungskundgabe auf, stelle sich ihrem äußeren Erscheinungsbild nach aber als eine Massenparty dar, bei der Spaß und Unterhaltung im Vordergrund stünden. Die von der Veranstaltung gewählten Ausdrucksmittel unterschieden sich nicht von der sonst üblichen Clubunterhaltung. Die Entstehungsgeschichte und Gestaltung präge den Partycharakter. Die gespielte Musik sowie die Art und Weise ihrer Darbietung seien nicht mehr als der Ausdruck eines bestimmten Musikgeschmacks und des Lebensstils bestimmter Subkulturen. Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren sei demgegenüber begründet, da es für den feststellenden Bescheid es Beklagten an einer Ermächtigungsgrundlage fehle. §§ 14 und 15 VersG enthielten nicht die behördliche Befugnis für eine verbindliche Entscheidung zur rechtlichen Einordnung der geplanten Veranstaltung. Das Anmeldeerfordernis des § 14 Abs. 1 VersG diene erkennbar und ausschließlich dem Zweck, die Versammlungsbehörde von der beabsichtigten Veranstaltung zu unterrichten, um die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zu treffen. Für eine behördliche Befugnis, über die rechtliche Einordnung der geplanten Veranstaltung verbindlich zu entscheiden, gäben der Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift nichts her. Die von der Behörde ausgesprochene „Nichtbestätigung“ könne auch nicht als eine „Minus-Maßnahme“ zum Verbot oder zur Auflage nach § 15 Abs. 1 VersG verstanden werden, weil diese Vorschrift das Vorliegen einer Versammlung voraussetze und der vorliegende Fall folglich schon vom Anwendungsbereich dieser Norm nicht erfasst sei.

Gegen dieses Urteil haben der Kläger und der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Der Kläger begründet seine Berufung unter Einbeziehung seines erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt: Die „Fuckparade 2001“ sei eine Versammlung, da sie sich auch für einen Außenstehenden als Meinungskundgabe darstelle. Ihre Themen und Forderungen wie „Keine Zensur durch Kommerz“, „Keine Behörden-Schikanen mehr, Service statt Razzien“, „Keine Party ist illegal“, „Leben statt Hauptstadtwahn“ und „Love Parade nie wieder als Pseudo-Demo“ würden durch Flugblätter und Transparente, die an den Lautsprecherwagen angebracht werden sollten, verlautbart. Die „Fuckparade“ wende sich gegen die Verdrängung von Subkulturen aus ihren angestammten urbanen Wohn- und Lebensgebieten und gegen die Zerstörung ihrer Sozialisationsräume sowie des öffentlichen Raumes. Sie richte sich auch gegen die Unterwanderung bestimmter Musikstile durch Rechtsradikale. Auf Grund ihres Ursprungs als Abspaltung von der Love Parade distanziere sie sich ausdrücklich von dieser, die sich zu einer umweltgefährdenden und kommerzialisierten Veranstaltung gewandelt habe. Anders als der Love Parade gehe es der „Fuckparade“ um Meinungskundgabe durch Musik und Aktionen, nicht hingegen um eine private Selbstinszenierung. Die Musik sei Inhalt und Mittel der Meinungsäußerung und unterscheide sich deutlich von der Clubunterhaltung. Mittels der Musik und der Streckenführung machten die Teilnehmer auf die Bedrohung ihrer Musik und Kultur als Minderheit aufmerksam. Musik und Fortbewegung dienten der Rückgewinnung des öffentlichen Raumes. Die Wegstrecke sollte gerade durch diejenigen Stadtviertel führen, in denen der städtebauliche Wandel die dort gewachsene Subkultur bedrohe. Der Alexanderplatz sei deswegen als Ort für die Abschlusskundgebung gewählt worden, weil die Love Parade Berlin GmbH dort ihren Sitz gehabt habe. Die äußere Erkennbarkeit der gemeinsamen Meinungskundgabe werde durch eine besondere Komposition der gespielten Techno-Musik, die vorgesehene Wegstrecke, Wagentransparente und die etwa 30.000 Handzettel deutlich, die während des Sternmarsches verteilt werden sollten. Bei dieser Gesamtwürdigung müssten zusätzlich die Presseberichterstattung und die Darstellung im Internet herangezogen werden. Insbesondere dürfe das Verteilen der Flugblätter wegen seiner die musikalischen Ausdrucksform ergänzenden Funktion nicht isoliert betrachtet werden. Für einen an öffentlichen fragen nicht völlig uninteressierten Beobachter, dessen Horizont sich nicht nur auf politische und kulturelle Hauptströmungen beschränke, sei die von der „Fuckparade“ beabsichtigte Meinungsäußerung bei der gebotenen zusammenfassenden Bewertung aller Elemente wahrnehmbar.

Der Kläger beantragt,

  1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. November 2004 teilweise aufzuheben und festzustellen, dass der Polizeipräsident in Berlin verpflichtet war, die „Fuckparade 2001“ als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu behandeln,
  2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

  1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. November 2004 aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist,
  2. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er wendet sich in seiner Berufung gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es für den bescheid vom 14. Mai 2001 an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage fehle. Zwar enthalte das Versammlungsgesetz keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage, aber an die Existenz einer Rechtsgrundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt seien auch nur geringe Anforderungen zu stellen. Das Bundesverwaltungsgericht habe aus gesetzlichen Vorschriften, die Anzeigepflichten und Genehmigungsvorbehalte regelten, die behördliche Befugnis abgeleitet, das Bestehen eines Anzeige- oder Genehmigungsbedürfnisses festzustellen. Für § 15 Abs. 1 VersG könne nichts anderes gelten. Werde um die Rechtsnatur einer angemeldeten Veranstaltung als Versammlung gestritten, bestehe ein Bedürfnis für eine verbindliche behördliche Feststellung, die dann der gerichtlichen Klärung zugänglich sei. Auch sei es von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt, eine als Versammlung angemeldete Veranstaltung durch „Auflagen“ insoweit zu untersagen, als Teile nicht an dem Versammlungscharakter teilnähmen. Dann müsse die (bloße) Feststellung, dass eine Veranstaltung nicht als Versammlung qualifiziert werde, erst recht zulässig sein. Die Befugnis zur Feststellung des fehlenden Versammlungscharakters ergebe sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 VersG. Diese Vorschrift setze die behördliche Prüfung voraus, ob überhaupt eine Versammlung vorliege. Wegen dieser Prüfungskompetenz müsse die Behörde die Möglichkeit haben, dem Anmelder gegenüber verbindlich auszusprechen, dass sie vom fehlenden Versammlungscharakter der Veranstaltung ausgehe. Nur auf diesem Weg lasse sich im Vorfeld der jeweiligen Veranstaltung die erforderliche Rechtsklarheit herstellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte, der Akte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens – VG 1 A 166.01 – sowie des vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet (dazu unter 1.). Das Verwaltungsgericht hat der Fortsetzungsfeststellungsklage zu Unrecht stattgegeben. Die Berufung des Klägers ist unbegründet (dazu unter 2.). Das Verwaltungsgericht hat das Feststellungsbegehren zu Recht abgewiesen.

  1. 1. Der angefochtene Bescheid des Beklagten fand seine Ermächtigungsgrundlage in § 14 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 VersG. Danach hat derjenige, der die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug zu veranstalten, dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden (§ 14 Abs. 1 VersG). Die Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist (§ 15 Abs. 1 VersG). Diesen Vorschriften lässt sich kraft Auslegung die Ermächtigung der Behörde entnehmen, durch Verwaltungsakt festzustellen, dass die angemeldete Veranstaltung nicht als eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes behandelt wird.

    Der Bescheid des Beklagten war ein feststellender belastender Verwaltungsakt, der einer gesetzlichen Grundlage bedurfte. Feststellende Verwaltungsakte sind solche, die ein Rechtsverhältnis oder einzelne sich daraus ergebende Rechte oder Pflichten in Bezug auf den Einzelfall verbindlich feststellen und nicht auf eine Änderung der materiellen Rechtslage gerichtet sind (vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, 9. Auflage 2005, § 35 Rdn. 12, 51; Stelkens, in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 35 Rdn. 142). Der Verfügungssatz des angegriffenen Bescheides brachte mit dem Anspruch einer verbindlichen Regelung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG das Ergebnis der behördlichen Prüfung zum Ausdruck, dass die vom Kläger angemeldete „Fuckparade 2001“ nicht als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes aufgefasst wurde, ohne hieran zugleich Rechtsfolgen insbesondere in Form von Ge- oder Verboten zu knüpfen. Diese Feststellung, die Anmeldung nicht als solche einer Versammlung entgegen nehmen und bestätigen zu können, stellte sich für den Kläger als belastende Entscheidung dar. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass sich eine förmliche, der Bestandskraft fähige Feststellung jedenfalls dann als einer gesetzlichen Grundlage bedürftige Belastung darstellt, wenn ihr Inhalt etwas als rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen nicht für rechtens hält (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 1991 – 1 B 64.91 –, NVwZ-RR 1992, 192; Beschluss vom 10. Oktober 1990 – 1 B 131.90 –, NVwZ 1991, 267; Urteil vom 29. November 1985 – 8 C 105.83 –, BVerwGE 72, 265 [267]). Auf Grund seiner Anmeldung hat der Kläger die „Fuckparade 2001“ als Versammlung angesehen, so dass die behördliche Feststellung dieser Einschätzung ersichtlich widersprach.

    Der Erlass belastender feststehender Verwaltungsakte verlangt keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Vielmehr genügt eine Grundlage, die im Wege der Auslegung ermittelt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1985 – 8 C 105.83 –, BVerwGE 72, 265 [268]; Beschluss vom 2. Juli 1991, a.a.O.; Beschluss vom 10. Oktober 1990, a.a.O.; OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 1. Dezember 1999 – 4 B 127.99 –, NJW 2000, 1435; OVG Berlin, Beschluss vom 28. Oktober 1999 – 2 N 9.99 –, NVwZ-RR 2000, 649 [650]). In diesen in Bezug genommenen entschiedenen Fällen haben die Gerichte gesetzlichen Erlaubnistatbeständen und gesetzlichen Anzeigepflichten auch die Grundlage für die behördliche Feststellung entnommen, dass eine bestimmte Tätigkeit genehmigungs- oder anzeigebedürftig ist. §§ 14 Abs. 1 und 15 Abs. 1 VersG lassen sich als hinreichende Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Bescheides verstehen. Ausschlaggebend hierfür ist nicht eine am Wortlaut dieser Vorschriften ausgerichtete Norminterpretation, sondern das an ihrem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der versammlungsrechtlichen Vorschriften orientierte Normverständnis.

    Der ausdrückliche Wortlaut weder von § 14 Abs. 1 VersG noch von § 15 Abs. 1 VersG bietet einen verlässlichen Anhaltspunkt dafür, dass die Versammlungsbehörde zum Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes des in Rede stehenden Inhalts ermächtigt ist. § 14 Abs. 1 VersG beschränkt sich auf die Regelung des Anmeldeerfordernisses für Versammlungen unter freiem Himmel, ohne irgendwelche behördlichen Befugnisse vorzusehen. § 15 Abs. 1 VersG setzt das Vorliegen einer Versammlung voraus und erlaubt deren Verbot oder andere gegen sie gerichtete selbständige Beschränkungen, wenn bei Durchführung der Versammlung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu prognostizieren ist. Die Gesetzesauslegung muss aber nicht am Buchstaben der Norm mit dem Zwang zur wörtlichen Auslegung verharren. Aufgabe der Gesetzesinterpretation ist es, den Sinn einer Gesetzesbestimmung auch aus ihrer systematischen Stellung im Gesetz und ihrer Zweckbestimmung zu ermitteln, ohne durch den formalen Wortlaut der Vorschrift begrenzt zu sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1973 – 1 BvL 39/69 u.a. –, BVerfGE 35, 263 [278 f.] m.w.N.; Beschluss vom 29. Juli 2004 – 1 BvR 737/00 –, BVerfGK 3, 348 [351]).

    Der Sinn und Zweck des Anmeldeerfordernisses nach § 14 Abs. 1 VersG, das von Verfassungs wegen bei Spontanversammlungen entfällt und bei Eilversammlungen nicht der gesetzlichen Frist unterliegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233, 341/81 –, BVerfGE 69, 315 [350 f.}; Beschluss vom 23. Oktober 1991 – 1 BvR 850/88 –, BVerfGE 85, 69 [75]), und der Eingriffsermächtigung nach § 15 Abs. 1 VersG verschafft der Behörde auch die Befugnis zu prüfen, ob sich die angemeldete Veranstaltung überhaupt als Versammlung darstellt. Die Anmeldung verfolgt das Ziel, Versammlungen zu ermöglichen. Die mit der Anmeldung verbundenen Angaben sollen der Behörde die erforderlichen Informationen vermitteln, damit die im Interesse eines möglichst störungsfreien Verlaufs gebotenen Maßnahmen zum Schutz der Versammlung veranlasst und die Interessen Dritter und Gemeinschaftsinteressen gewahrt werden können (vgl. BVerfGE 69, 315 [350]; Dietel / Gintzel / Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsrecht, 14. Auflage 2005, § 14 Rdn. 6). Die Anmeldung ist zugleich Grundlage für eine versammlungsfreundliche Kooperation mit dem Veranstalter, zu der die Versammlungsbehörde verfassungsrechtlich verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 69, 315 [355 ff.]; 85, 69 [74]). Die Behörde wird durch die Anmeldung in den Stand gesetzt, etwa verkehrslenkende und -beschränkende und andere nötige Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausübung der grundrechtlich in Art. 8 GG geschützten Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und mit kollidierenden Interessen zum Ausgleich zu bringen. Sämtliche durch eine Versammlung aufgeworfenen Fragen wie die des Straßen-, des Straßenverkehrs- und des lmmissionsschutzrechts werden durch die Versammlungsbehörde umfassend und abschließend geklärt. Auf der Anmeldung basiert auch die behördliche Prüfung des Eingriffstatbestandes des § 15 Abs. 1 VersG, der das Vorliegen einer Versammlung voraussetzt und sich nur gegen Versammlungen richtet. Die Behörde hat zu entscheiden, ob und welche Auflagen zum Zwecke der Abwehr von Gefahren, die bei Durchführung der Versammlung drohen, geboten sind. Die in § 15 Abs. 1 VersG vorgesehenen Auflagen ersetzen sonstige nach anderen Vorschriften erforderliche Genehmigungs- und Erlaubnisakte (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 1989 – 7 C 50.88 –, BVerwGE 82, 34 [38 ff.]).

    Schon der die gesetzlichen Tatbestände beschreibende Versammlungsbegriff, insbesondere aber die mit dem Gebrauch der Versammlungsfreiheit einhergehende Bevorzugung von Versammlungen gegenüber Zusammenkünften anderer Art rechtfertigt die Annahme der behördlichen Prüfungskompetenz, ob die angemeldete Veranstaltung die Merkmale einer Versammlung aufweist. Anderenfalls könnten sich Veranstaltungen jedweder Art allein durch ihre Anmeldung die privilegierenden Regeln des Versammlungsrechts zunutze machen. Die verfassungsrechtlich in den Grundrechten angelegte Differenzierung zwischen Versammlungen auf der einen und sonstigen Zusammenkünften auf der anderen Seite würde nach Belieben des Anmelders aufgehoben werden. Diese Konsequenz würde der auch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Recht immer wieder betonten, besonderen grundlegenden Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit in der freiheitlich demokratischen Ordnung des Grundgesetzes we- [sic!] auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung (st. Rspr. des BVerfG seit BVerfGE 69, 315 [346 f.]) nicht gerecht.

    Auch der normsystematische Zusammenhang des Versammlungsgesetzes selbst gibt zu erkennen, dass die Versammlungsbehörde berufen ist, die Versammlungseigenschaft einer angemeldeten Veranstaltung zu prüfen. Nach § 17 VersG gelten §§ 14 bis 16 desselben Gesetzes nicht für Gottesdienste unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgänge und Wallfahrten, gewöhnliche Leichenbegängnisse, Züge von Hochzeitsgesellschaften und hergebrachte Volksfeste. Im Einzelfall kann sich für die Behörde die Frage stellen, ob sie es mit einer dieser Veranstaltungen oder einer Versammlung zu tun hat, so dass sie dies prüfen und entscheiden können muss.

    Aus der aus § 14 Abs. 1 VersG abgeleiteten behördlichen Prüfungsbefugnis und der in § 15 Abs. 1 VersG geregelten Eingriffsbefugnis erwächst die Ermächtigung der Versammlungsbehörde, über die Versammlungseigenschaft durch feststellenden Verwaltungsakt verbindlich zu entscheiden. Die Prüfungskompetenz muss mit der behördlichen Kompetenz korrespondieren, das Ergebnis der Prüfung gegenüber dem Anmelder verbindlich zu verlautbaren. Ein am Maßstab des Versammlungsbegriffs negatives Prüfungsergebnis bliebe ansonsten unverbindlich und könnte den bezweckten Beitrag zur Klärung einer im Einzelfall unsicheren Rechtslage nicht leisten. Die behördliche Prüfungsbefugnis liefe letztlich ins Leere. Zudem besteht ein praktisches Bedürfnis für eine solche der Bestandskraft fähigen und der gerichtlichen Überprüfung zugänglichen Feststellung. Dies ergibt sich nicht nur aus den nachvollziehbaren Interessen der Versammlungsbehörde, sondern liegt auch im wohlverstandenen Interesse des Anmelders einer Veranstaltung. Beiden Seiten ist bei objektiver Betrachtung daran gelegen, Rechtssicherheit über die Anwendbarkeit des Versammlungsgesetzes und des versammlungsrechtlichen Instrumentariums hergestellt zu wissen. Aus der Sicht der Versammlungsbehörde besteht das anzuerkennende Interesse darin, Rechtsklarheit über die rechtliche Einordnung ihrem Erscheinungsbild und ihren Zwecken nach zweifelhafte Veranstaltungen und darüber zu gewinnen, ob und auf welcher rechtlichen Grundlage gegen eine Veranstaltung ggf. eingeschritten werden darf. Stellt sich eine Veranstaltung nicht als Versammlung dar und verfügt sie nicht über die nach Maßgabe näherer Prüfung erforderlichen straßen-, straßenverkehrsrechtlichen oder sonstigen Erlaubnisse, ist, sofern nicht die Voraussetzungen spezieller Ermächtigungsgrundlagen vorliegen, die Polizeibehörde durch § 17 ASOG Bln zum Eingreifen befugt. Aus der Sicht des Anmelders besteht der Gewinn an Rechtssicherheit – spiegelbildlich – darin, Gewissheit darüber zu bekommen, dass die Versammlungsbehörde die Veranstaltung nicht dem versammlungsrechtlichen Regime mit den damit verbundenen Privilegien unterwirft und er sich um die ggf. erforderlichen Genehmigungen zur Durchführung der Veranstaltung bemühen muss. Die behördliche Feststellung ist folglich ein im öffentlichen wie privaten Interesse zulässiges und geeignetes Mittel, um den bei andernfalls verbleibender rechtlicher Unklarheit am Veranstaltungsort drohenden Auseinandersetzungen vorzubeugen.

    Die Anerkennung der behördlichen Befugnis zur Feststellung der einer Veranstaltung nicht zukommenden Versammlungseigenschaft ist auch im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Versammlungsfreiheit unbedenklich. Eine Feststellung dieses Inhalts führt nicht dazu, dass einer Veranstaltung ihr verfassungsrechtlich garantierter privilegierter Status vorenthalten würde. Der sachliche Schutzbereich des Art. 8 GG erstreckt sich auf Versammlungen, nicht hingegen auf Zusammenkünfte sonstiger Art.

  1. 2. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage begegnet wegen deren Subsidiarität gegenüber einer Gestaltungs- oder Leistungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO Bedenken. Es erscheint fraglich, ob sich das Nebeneinander von Feststellungs- und Fortsetzungsfeststellungsklage mit der Annahme des Verwaltungsgerichts begründen lässt, dass sich die Versammlungseigenschaft der „Fuckparade“ und damit das eigentliche Anliegen des Klägers nur im Rahmen einer Feststellungsklage klären lasse. Diese Frage kann aber, da sie letztlich nicht entscheidungserheblich ist, offen bleiben.

    Die Feststellungsklage ist jedenfalls nicht begründet, weil der Beklagte nicht verpflichtet war, die „Fuckparade 2001“ als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu behandeln. Die vom Kläger angemeldete „Fuckparade 2001“ stellte sich nicht als Versammlung dar.

    In dem diesem Hauptsacheverfahren vorausgegangenen verfassungsgerichtlichen Eilverfahren hat es das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nicht beanstandet, den Begriff der Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes in Anlehnung an den verfassungsrechtlichen Versammlungsbegriff zu deuten. Der einfachgesetzliche Versammlungsbegriff muss nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Schutzgewährung nach Art. 8 GG erforderlich ist, da Versammlungen gegenüber Veranstaltungen anderer Art privilegiert sind und Rechte Dritter wegen des hohen Ranges der Versammlungsfreiheit häufig zurücktreten müssen (BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001 – 1 BvQ 28/01 –, NJW 2001, 2459 [2460]). Der Senat hat daher keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung, in der er stets den vom Bundesverfassungsgericht geprägten Versammlungsbegriff zugrunde gelegt hat, zugunsten des in der Literatur vielfach vertretenen weiten Versammlungsbegriffes (vgl. dazu Schulze-Fielitz, in Dreier [Hrsg.], GG, 2. Auflage 2004, Art. 8 Rdn. 27; Gusy, in v. Mangoldt / Klein / Starck, [Hrsg.], GG, 5. Auflage 2005, Art. 8 Rdn. 18; Kniesel, in Lisken / Denninger [Hrsg.], Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, H Rdn. 15) abzurücken.

    Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung kann von einem gefestigten verfassungsrechtlichen Versammlungsbegriff ausgegangen werden. Danach schützt Art. 8 GG die Freiheit der Versammlung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung. Der besondere Schutz der Versammlungsfreiheit beruht auf ihrer Bedeutung für den Prozess öffentlicher Meinungsbildung in der freiheitlich demokratischen Ordnung des Grundgesetzes. Das Grundrecht ist auf kollektive Meinungsäußerung gerichtet. Für die Eröffnung des Schutzbereiches reicht es wegen seines Bezuges auf den Prozess öffentlicher Meinungsbildung nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrer gemeinschaftlichen kommunikativen Entfaltung durch einen beliebigen Zweck verbunden sind. Vorausgesetzt ist vielmehr grundsätzlich, dass die Zusammenkunft auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG sind demnach örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (BVerfG, Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2001 – 1 BvR 1190/90 u.a. –, BVerfGE 104, 92 [104]; vgl. auch Beschluss vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 1726/01 –, NVwZ 2005, 80; Beschluss vom 23. Juni 2004 – 1 BvQ 19/04 –, NJW 2004, 2814 [2815]).

    Die Art und Weise, wie eine Versammlung ihre Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zum Ausdruck bringt, und welcher Mittel sie sich zu diesem Zweck bedient, unterliegt der aus ihrem Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung folgenden Gestaltungs- und Typenfreiheit. Die Ausdruckformen können ohne Beschränkung auf tradierte und gebräuchliche Formen beliebig gewählt und neu erfunden werden. Der Zeitgeist und die angestrebte mediale Aufmerksamkeit können ebenso wie der jeweilige Anlass der Veranstaltung zu innovativen Mitteln und Formen anspornen. Der Phantasie, Kreativität und Eigenwilligkeit bei der Wahl der Form der Meinungskundgabe sind im Hinblick auf den Versammlungsbegriff keine Grenzen gesetzt, sofern nur die eine Versammlung charakterisierenden Merkmale erkennbar bleiben. Maßgeblich hierfür ist, wie sich die Veranstaltung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild in ihrem Gesamtgepräge darstellt. So hat das Bundesverfassungsgericht in dem diesem Hauptsacheverfahren vorausgegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren betont, dass Veranstaltungen selbstverständlich auch dann dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit unterfallen, wenn sie ihren kommunikativen Zweck unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen, etwa wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung z.B. in dem Sinne einzuwirken, dass bestimmte Musik- und Tanzveranstaltungen auch zukünftig ermöglicht werden. Eine Musik- und Tanzveranstaltung wird jedoch nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen. Entscheidend ist, ob diese nur beiläufig nebenher erfolgen oder die Veranstaltung prägen (BVerfG, NJW 2001, 2459 [2460 f.]; vgl. auch Hoffmann-Riem, NVwZ 2002, 257 [259]).

    Anhand dieses Maßstabes war die „Fuckparade 2001“ nach ihrem Gesamtgepräge nicht als Versammlung einzuordnen. Für die Geltung der vom Bundesverfassungsgericht angenommenen Regel, dass eine Veranstaltung wegen des hohen Ranges der Versammlungsfreiheit im Zweifel wie eine Versammlung zu behandeln ist (BVerfG, NJW 2001, 2459 [2461]), bleibt kein Raum. Die Veranstaltung stellte sich für den Außenstehenden primär als Musik-, Tanz- und Unterhaltungsveranstaltung dar, mit der die Teilnehmer eine ihrem Musikgeschmack entsprechende Lebensart zelebrieren wollten. Die Meinungskundgabe, die aus der Sicht des Klägers insbesondere auch aus der Art und Weise und der Komposition der gespielten Techno-Musik hervorgehen sollte, blieb dem durchschnittlichen Betrachter verborgen. Diesem stellte sich die Musik vielmehr als beliebig und austauschbar dar, ohne dass damit ein Anliegen verbunden würde, das erkennbar zum Gegenstand der Kommunikation und Meinungsbildung gemacht werden sollte. Selbst wenn in Internet-Artikeln und -Aufrufen die spezifischen Inhalte, die die „Fuckparade“ vermitteln wollte, erläutert wurden, besagt dies noch nichts darüber, dass diese auch durch die Veranstaltung selbst zum Ausdruck gebracht wurden. Kennzeichnend für eine Versammlung ist die örtliche Zusammenkunft einer Personenmehrheit zum Zweck der kollektiven Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Daher kommt es für die Beurteilung der Versammlungseigenschaft darauf an, wie die Veranstaltung am Ort der Zusammenkunft erscheint. Am Veranstaltungsort fehlende oder nicht hinreichend wahrnehmbare Elemente der Meinungskundgabe können durch Internetseiten oder Presseberichte nicht ersetzt werden. Auf der Straße sollten Musik und Tanz dominieren, deren meinungsbildende Inhalte bestenfalls von an Techno-Musik Interessierten erkennbar waren. Auch die Wahl der Wegstrecke und die auf den Handzetteln, die während des Zuges der „Fuckparade“ verteilt werden sollten, formulierten Forderungen gaben der Veranstaltung kein anderes Gepräge. Die darin ausgedrückten kritischen und ablehnenden Auffassungen etwa zu einzelnen Aspekten der Stadtentwicklung, zur Verdrängung sog. Subkulturen aus bestimmten Stadtbezirken und die Gegenpositionen zur Love Parade erschienen gegenüber dem Musik- und Tanzzug von untergeordneter, beiläufiger Bedeutung, zumal sie sehr allgemein gehalten und daher wenig aussagekräftig waren. Dass die besondere Art der Techno-Musik die im Flugblatt verlautbarten Forderungen unterstreichen und meinungsbildend transportieren sollte, war für den außenstehenden Betrachter nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennbar. Außenstehende hätten die Veranstaltung nach der Gesamtheit ihres Erscheinungsbildes als eine mobile Techno-Party wahrgenommen, in der sich das mit dieser Musik verbundene Lebensgefühl der Teilnehmer sowie Spaß, Tanz, Bewegung und Unterhaltung ausdrückten.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

    Die Revision ist gemäß § 132 Abs. Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Sache hinsichtlich der Frage, ob §§ 14 Abs. 1 und 15 Abs. 1 VersG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für negative feststellende Verwaltungsakte bieten, im Hinblick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit grundsätzliche Bedeutung hat. Diese in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch ungeklärte Rechtsfrage hat über den entschiedenen Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung revisiblen Rechts.

Rechtsmittelbelehrung

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Monjé, Dr. Blumenberg, Fischer-Krüger