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Zusammenfassung: Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 23. November 2004 festgestellt, daß der Verwaltungsakt der Versammlungsbehörde zur Fuckparade 2001 rechtswidrig war. Es teilt jedoch nicht unsere Auffassung, daß die Fuckparade 2001 auch ohne Redebeiträge eine Demonstration im Sinne des Versammlungsgesetzes gewesen wäre.

VG 1 A 271.01

Verwaltungsgericht Berlin

Urteil
Im Namen des Volkes

In der Verwaltungsstreitsache des Herrn Martin Kliehm, Klägers,

Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin Inka Bock, […] Frankfurt am Main

gegen

das Land Berlin, vertreten durch den Polizeipräsidenten in Berlin, Stab PPr, Stab 6, Platz der Luftbrücke 6, 12096 Berlin, Beklagten,

hat das Verwaltungsgericht Berlin, 1. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2004 durch

  • den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Dr. Rueß,
  • den Richter am Verwaltungsgericht Groscurth,
  • den Richter am Verwaltungsgericht Marticke,
  • den ehrenamtlichen Richter Leonhard,
  • die ehrenamtliche Richterin Cornelius,

für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 14. Mai 2001 rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der andere Teil vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die zunächst für den 14. Juli 2001 angemeldete „Fuckparade 2001“ eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes war.

Mit Schreiben vom 19. März 2001 meldete der Kläger bei dem Polizeipräsidenten in Berlin für den 14. Juli 2001 die „Fuckparade 2001“ als Gegenveranstaltung zur Love Parade an. Die Versammlung mit den Parolen „Keine Zensur durch Kommerz“, „Love Parade raus aus dem Tiergarten“, „Leben statt Hauptstadtwahn“ und „Keine Party ist illegal“ sollte zwischen 14 und 24 Uhr in Form eines Sternmarsches in den Bezirken Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain stattfinden und auf dem Alexanderplatz mit einer Abschlusskundgebung enden. Zu der jährlich seit 1997 stattfindenden Veranstaltung wurden ca. 10.000 Teilnehmer erwartet, die von 40 bis 50 Wagen begleitet werden sollten, von denen lautstarke Techno-Musik gespielt werden sollte. An den Wagen sollten keine Werbeträger angebracht werden. Zudem waren im Verlauf der Veranstaltung keine Redebeiträge geplant. Vorgesehen war stattdessen, im Vorfeld und während der Veranstaltung 20.000 Handzettel zu verteilen, die unter anderem folgenden Text enthielten:

„5 Jahre Kampf um die Nischen. Um die Orte, an denen wir unsere Freunde treffen, unsere Parties feiern, einfach gerne leben. (…) 5 Jahre Kampf gegen die Schönbohms und Werthebachs dieser Welt, die in ihrem Hauptstadtwahn alles bereinigen, was anders ist. (…) 5 Jahre Demonstration für lebendige Sub- und Clubkultur, für den Erhalt der vielfältigen Formen von Kunst und Kultur. (…) 5 Jahre Stachel im Fleisch der Love Parade. Sand im Getriebe des Millionen-Konzerns. (…) Wir fordern: Keine Behörden-Schikanen mehr. Service statt Razzien! Keine Party ist illegal! Lebenswerte Städte statt Hauptstadtwahn! Love Parade nie wieder als Pseudo-Demo, vollständige Aufdeckung der Finanzen von Love Parade GmbH und ihrer Subunternehmen! Love Parade raus aus dem Tiergarten!“

Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 14. Mai 2001 teilte der Polizeipräsident in Berlin dem Kläger mit, dass die Anmeldung der „Fuckparade 2001“ nicht als Anmeldung einer Versammlung entgegengenommen und bestätigt werden könne, weil die in Rede stehende Parade keine öffentliche Versammlung darstelle. Zwar umfasse die Versammlungsfreiheit vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens und damit gegebenenfalls auch musikalische Ausdrucksformen. Erforderlich sei aber als gemeinsamer Zweck die kollektive Meinungsbildung und -kundgabe. Würde dagegen jede innere Verbindung der Versammlungsteilnehmer für die Qualifikation als Versammlung ausreichen, widerspräche dies der überragenden Bedeutung der grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit. Bei der „Fuckparade“ gehe es nicht um eine kollektive Meinungsbildung oder -kundgabe. Insbesondere verleihe das Verteilen von Handzetteln im Vorfeld der Veranstaltung bzw. deren Motto der Veranstaltung kein Gepräge als Versammlung. Entscheidend sei der tatsächliche Charakter der Veranstaltung, wobei die Rolle der Teilnehmer hier auf das Zuhören und Tanzen beschränkt sei. Zudem mache allein der politische Inhalt einer musikalischen Darbietung Zuschauer und Zuhörer nicht zu Versammlungsteilnehmern, wenn sie sich auf das Erleben der Darbietung beschränkten. Mangels eines politischen oder anderen Inhalts vermittele die Musik keinen Bezug zu den beliebig austauschbaren Themen der Veranstaltung. In dem Tanzen der Teilnehmer könne außerdem keine sichtbare Identifizierung mit bestimmten Themen erblickt werden. Vielmehr überwiege der Spaßcharakter der mit einem modernen Volksfest vergleichbaren Veranstaltung derart, dass ernsthafte Anliegen in den Hintergrund treten würden. Auch bei Zugrundelegung eines weiteren Versammlungsbegriffs könne die „Fuckparade“ nicht als Versammlung angesehen werden, weil eine gewisse innere Bindung der Teilnehmer nicht erkennbar sei. Durch Musik als solche könne eine solche Bindung nicht erreicht werden.

Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 21. Mai 2001 Widerspruch ein, über den nicht entschieden wurde. Zur Begründung trug er vor, die „Fuckparade“ stelle keine bloße Ansammlung, sondern eine Versammlung dar. Die notwendige Meinungsäußerung werde bei dieser Veranstaltung verständlich durch die Musik artikuliert, zumal die Themen der Demonstration in Sprechgesängen und „eingesampelten Textpassagen“ zum Ausdruck gebracht werden würden. Die Musik sei Inhalt und Mittel der kollektiven Meinungsäußerung. Die Versammlungsteilnehmer beschränkten sich dabei nicht auf das Zuhören und Tanzen. Im Unterschied zur Love Parade könne zwischen den Teilnehmern und den Wagen nicht wie zwischen Besuchern und Akteuren unterschieden werden, weil die „minderheitlichen Sonderformen“ der Techno-Musik die Meinungsäußerung aller versammelten Personen darstelle. Die „Fuckparade“ verfolge im Übrigen – wie in den Vorjahren – die in der Anmeldung genannten Themen. Die verschiedenen Musikstile seien Ausdruck der Lebensart von Subkulturen. Diese subkulturellen Minderheiten würden aufgrund der aktuellen städteplanerischen Entwicklung der Stadt aus ihren angestammten Stadtvierteln verdrängt. Wegen fehlender Werbeeinnahmen bestünden zudem nicht die finanziellen Möglichkeiten, Räume für diese Minderheit zur Verfügung zu stellen. Gegen die Verdrängung ihrer kulturellen und politischen Betätigungsform und gegen die Zerstörung des öffentlichen Raums durch private Sicherheitsdienste und die Installation von Videokameras wende sich die „Fuckparade“. Insbesondere demonstriere sie exemplarisch gegen die Schließung des Veranstaltungsorts „Bunker“. Schließlich sei sie gegen die Unterwanderung bestimmter Musikstile durch Rechtsradikale und gegen die Sinnlosigkeit der Selbstinszenierung der Love Parade. Die dargestellten Forderungen der Teilnehmer würden durch die Musik und konkrete Aktionen ausgedrückt. Durch die gemeinsame, von Musik begleitete Streckenbegehung werde auf die Bedrohung der durch die besondere Techno-Musik geprägten Kulturen hingewiesen, wobei die Fortbewegung der Versammlung die Rückgewinnung des öffentlichen Raums symbolisiere. Die Routen führten dementsprechend an den am meisten vom Wandel betroffenen Stadtvierteln entlang. Im Gegensatz zu Love Parade würden Getränke überdies gegen Pfand aus den Wagen heraus zum Selbstkostenpreis verkauft, wodurch die Kommerzialisierung der Love Parade angeprangert werde. Dies werde durch die Nähe der Abschlusskundgebung zum Sitz der Love Parade Berlin GmbH unterstrichen. Im Laufe der Durchführung der Versammlung würden Handzettel an Passanten verteilt werden, um auf die beschriebenen Inhalte schriftlich hinzuweisen. Dass ansonsten keine Redebeiträge vorgesehen seien, sei unerheblich, da das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vielfältige Verhaltensformen – z.B. auch Schweigemärsche – schütze. Die „Fuckparade“ mache durch eine non-verbale Ausdrucksform auf die Meinung der Teilnehmer aufmerksam, während sich der Zweck der Love Parade im Herbeiführen eines konkreten Lebensgefühls erschöpfe, eine über die bloße Selbstinszenierung hinausgehende Meinungsäußerung aber nicht zu verzeichnen sei.

Der Kläger stellte am 22. Mai 2001 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zur Begründung trug er ergänzend vor, die Versammlungsthemen könnten nicht als bloße Floskeln abgetan werden, was sich auch daraus ergebe, dass am 23. Juni 2001 auf Veranlassung des Klägers mit Politikern aus Berlin eine Diskussionsveranstaltung zu dem Thema „Politik vs. Party – wie wichtig ist Sub- und Clubkultur für eine lebenswerte Stadt“ stattgefunden habe. Im Übrigen verletze der Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil auch die Parade anlässlich des Christopher-Street-Days als Versammlung eingestuft worden sei.

Der Beklagte erwiderte darauf im Eilverfahren: Die „Fuckparade“ sei nach ihrem Selbstverständnis, ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Erscheinungsbild nichts anderes als ein musikalisches Spektakulum, dessen Teilnehmer sich nach ihren Vorstellungen zur Musik auslebten. Unter dem Motto „Weg vom Mainstream“ der bürgerlich und etabliert werdenden Love Parade habe sie sich als Gegenereignis dazu entwickelt. Der jeweilige Verlauf der „Fuckparade“ und die der Love Parade ähnliche äußere Erscheinung würden belegen, dass eine objektiv nachvollziehbare kollektive Meinungsbildung und -kundgabe überhaupt nicht im Vordergrund stünden. Da in dem „Flyer“ des Jahres 2000 von einer Party die Rede gewesen und damit geworben sei, dass sich auf der „Fuckparade“ Menschen träfen, denen es wichtiger sei, gemeinsam zu feiern, müsse auch mit Blick auf die Veranstaltung im Jahre 2001 davon ausgegangen werden, dass es lediglich darum gehe, ein Fest zu feiern. Mit dem Stellenwert der Versammlungsfreiheit sei es nicht vereinbar, die Einstufung einer Veranstaltung allein den Formulierungs- und Präsentationskünsten des Veranstalters zu überlassen. Die vom Kläger ausgewiesenen Themen seien nichtssagend und zu global, um als Meinung zu gelten. In ihrer Beliebigkeit würden sie die Gefahr belegen, nahezu jedes kollektive Unternehmen als Veranstaltung zu deklarieren.

Die Kammer ordnete mit Beschluss vom 28. Juni 2001 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an (VG 1 A 166.01). Demgegenüber wies das Oberverwaltungsgericht den Eilantrag mit Beschluss vom 6. Juli 2001 zurück (OVG 1 S 11.01). Ein Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht wurde durch Beschluss vom 12. Juli 2001 abgelehnt (BvQ 28/01, NJW 2001, 2459-2461).

Mit der am 13. August 2001 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Im Wesentlichen wiederholt er seinen bisherigen Vortrag. Die Fuckparade verbinde den Zweck der Bildung und Äußerung von Meinung. Es würden Elemente der bedrohten Sub- und Clubkultur als Inhalt wie auch als Mittel zur Meinungsäußerung eingesetzt, um eine öffentliche Wahrnehmung und eine Diskussion über die städtebaulichen und politischen Ursachen einer Verdrängung sowie der gesellschaftlichen Bedeutung dieser Minderheiten zu bewirken. An den Wagen hätten sich seitlich und vorne Transparente befinden sollen, die die Themen schlagwortartig hätten wiedergeben sollen. Es hätten 30.000 Flyer verteilt werden sollen. Im Vorfeld sei die Presse umfangreich informiert und der Demonstrationsaufruf über Flyer und das Internet mit detaillierten Hintergrundinformationen verbreitet worden. Der Kläger ist der Auffassung, dass Gegenstand, Inhalt und Mittel der Meinungskundgabe bei einer Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts beliebig seien. Ansonsten würden auch Schweigemärsche, Mahnwachen und Menschenketten als Demonstration ausscheiden. Die Musik diene als Mittel, um die realen Wirkungschancen des „Gehörtwerdens“ der Fuckparade erst zu ermöglichen. Sie stelle eine kollektive Meinungskundgabe dar. Die Musik sei daneben künstlerisches Ausdrucksmittel, Instrument und Artikulation der teilnehmenden Disc-Jockeys und Live-Künstler. Politische Texte hätten auch in der aktuellen Musik eine Tradition. Schon ohne Verteilung der Flyer sei die Fuckparade für jeden Interessierten als Demonstration erkennbar. Die Fuckparade sei kein musikalischer „Ableger“ der Love Parade. Die Fuckparade sei vielmehr eine Abspaltung des politischen Teils der früheren Love Parade, weil sie keinen Zusammenhang zu ihren Forderungen mehr gesehen hätten. Gleichzeitig habe die Love Parade versucht, nichtkommerzielle Musikstile zu verdrängen. Soweit vom Oberverwaltungsgericht eine Erkennbarkeit des meinungsbildenden Elements gefordert werde, sei davon auszugehen, dass Fragen der Techno-Subkultur dem in kulturellen und politischen Fragen nicht uninteressierten Bürger nicht fremd seien. der Flyer stelle eine „Übersetzungshilfe“ für nicht interessierte Bürger dar. Anders als bei der Love Parade sei der Zweck der Fuckparade nicht die private Selbstinszenierung, sondern die kollektive Meinungskundgabe und die Darstellung eines geforderten Lebensraumes zur Verwirklichung eines bestehenden Lebensgefühls. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Eilverfahren sei eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Demonstrationseigenschaft der Fuckparade nicht erfolgt. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids wegen Wiederholungsgefahr. Die „Fuckparade“ sei für die Jahre 2002 bis 2004 jeweils ohne Redebeiträge angemeldet worden. Die Behörde habe die Demonstrationen 2002 und 2004 nur nach erheblichen Änderungen des Konzepts angenommen. Die Demonstration sei im Jahre 2003 in erheblich modifizierter Form vom Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht Berlin als Versammlung bestätigt worden. Diese Modifikationen beträfen die zentrale Gestaltung und Aussage der Demonstration an sich.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass die angemeldete „Fuckparade 2001“ eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes war, hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 14. Mai 2001 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf seinen bisherigen Vortrag. Es fehle an einer inneren Verbundenheit der Teilnehmer der Veranstaltung durch gemeinsame Zweckverfolgung. Das Konsumieren von Musik stehe eindeutig im Vordergrund und erzeuge keine darüber hinausgehende Aussage. Soweit das Oberverwaltungsgericht auf die Assoziation eines Außenstehenden im Regelfall abstelle, bedeute dies, dass sich die Aussage einer Versammlung aus sich selbst heraus erschließen müsse. Durch den „Sound“, bei dem Rhythmus und Melodie im Vordergrund stünden, werde für Außenstehende keine Aussage erkennbar. Auch durch die Wahl der Wegstrecke könne ohne nach außen sichtbaren kommunikativen Bezugspunkt keine Kundgabe von Überzeugungen stattfinden. Die Qualifikation als Gegenbewegung zur Love Parade lasse keinen Schluss darauf zu, ob sich die „Fuckparade“ davon nur hinsichtlich der Musikrichtung und der fehlenden Kommerzialisierung unterscheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gerichtliche Streitakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, der vorgelegen hat.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrages als unbegründet abzuweisen, hat dagegen hinsichtlich des Hilfsantrages Erfolg.

  1. 1. Die Klage ist zulässig. Der Hauptantrag ist als Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO und der Hilfsantrag als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Die zwischen den Beteiligten strittige Rechtsfrage, ob die „Fuckparade 2001“ als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu behandeln war, begründete wegen der damit verbundenen versammlungsrechtlichen Folgen ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen ihnen. Der Hilfsantrag betrifft einen Verwaltungsakt, der sich durch Ablauf des Tages, für den die Versammlung geplant war, und damit vor Klageerhebung erledigt hat.

    Das besondere Rechtsschutzinteresse ergibt sich für beide Anträge aus dem möglichen erheblichen Eingriff in die in Art. 8 GG geschützte Versammlungsfreiheit und unter dem Aspekt der Wiederholungsgefahr. Zwar führt die Verweigerung der Anerkennung der Versammlung entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einem Verbot der Veranstaltung (vgl. zum Feststellungsinteresse im Fall eines Versammlungsverbotes BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 1 BvR 461/03 –, NJW 2004, 2510). Gleichwohl stellt ein Verwaltungsakt, der die versammlungsrechtliche Privilegierung einer Versammlung rechtwidrig verweigert, einen tiefgreifenden Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar (so bereits das Urteil der Kammer vom 19. November 2003 – VG 1 A 267.02). Im Übrigen besteht eine Wiederholungsgefahr, da der Beklagte an seiner Rechtsauffassung festhält und die „Fuckparade“ in den Folgejahren nicht in der vom Kläger gewünschten Form als Versammlung stattfinden konnte, sondern diesen Status erst nach wesentlichen Modifikationen des Veranstaltungskonzepts zugebilligt bekam. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Hilfsantrag besteht zusätzlich insoweit, als der Kläger ein berechtigtes Interesse daran hat, hilfsweise gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 14. Mai 2001 aus anderen Gründen rechtswidrig war.

    Dem Hauptantrag steht auch nicht die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) entgegen, obwohl er mit der Versammlungseigenschaft eine Vorfrage betrifft, die sich auch im Rahmen des Hilfsantrages stellt. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die spezielle Klageart gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43 Rn. 26; anderer Ansicht offenbar Pietzner in: Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, Stand Mai 1997, § 43 Rn. 77). Die allgemeine Feststellungsklage wird aber nur dann verdrängt, wenn der Rechtsschutz durch die spezielle Klageart in zumindest gleichem Umfang und mit gleicher Effektivität gewährleistet wird. Das ist nicht der Fall, wenn der Kern des Rechtsschutzbegehrens in einem anderen Verfahren lediglich eine Vorfrage wäre und es letztlich um die „Rechtsstandfrage“, also um die Gesamtbeurteilung des Rechtsverhältnisses geht (BVerwGE 36, 179, 182; 37, 243, 247). In solchen Fällen braucht der Kläger den Kern seines Anliegens nicht als bloße Vorfrage klären zu lassen. Denn eine solche Klage gewährt unter Umständen keinen effektiven Rechtsschutz, da fraglich sein kann, ob die Vorfrage überhaupt entscheidungserheblich ist (Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO, Stand Januar 2003, § 43 Rn. 123). Hier ist die Klärung des Versammlungsstatus der „Fuckparade 2001“ das Kernanliegen des Klägers. Auf diese Frage kommt es im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht an, wenn der Bescheid bereits wegen fehlender Befugnis, das Nicht-Vorliegen der Versammlungseigenschaft durch Verwaltungsakt festzustellen, rechtswidrig ist.

  2. 2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Die zunächst angemeldete „Fuckparade 2001“ war keine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts.

    Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG und dem Versammlungsgesetz sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 1989 – 7 C 50/88 –, BVerwGE 82, 34, 38f.). Erforderlich ist eine Zweckverbundenheit unter den Teilnehmern, die auf eine „gemeinschaftliche kommunikative Entfaltung“ gerichtet ist (OVG Berlin, Beschluss vom 9. Mai 2003 – 1 S 32.03). Dies entspricht der Zielsetzung des Art. 8 GG und der Vorschriften des Versammlungsgesetzes, das ungehinderte Zusammenkommen mit anderen Personen zum Zweck der gemeinsamen Meinungsbildung und Meinungsäußerung (kollektive Aussage) zu schützen (BVerwG, Urteil vom 21. April 1989, a.a.O. S. 39; vgl. auch VGH München, Beschluss vom 13. Mai 1994 – 21 CE 94.1563 –, BayVBl. 1994, 600, 601; OVG Weimar, Beschluss vom 29. August 1997 – 2 ZEO 1037/97 –, NVwZ-RR 1998, 497, 498; VGH Mannheim, Beschluss vom 27. Mai 1994 – 1 S 1397/94 –, NVwZ-RR 1995, 271; von Münch/Kunig, Grundgesetz, 5. Aufl. 2000, Art. 8 Rn. 14; Schmidt/Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 8 Rn. 3; Hoffmann-Riem, Alternativkommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl. 1989, Art. 8 Rn. 12). Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit erhält seine besondere verfassungsrechtliche Bedeutung in der freiheitlich demokratischen Ordnung des Grundgesetzes wegen des Bezugs auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. Namentlich in Demokratien mit parlamentarischem Repräsentativsystem und geringen plebiszitären Mitwirkungsrechten hat die Freiheit kollektiver Meinungskundgabe die Bedeutung eines grundlegenden Funktionselements (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233, 341/81 –, BVerfGE 69, 315, 343). Entscheidend ist deshalb, dass die Veranstaltung auf Meinungsäußerung und Meinungsbildung in Gruppenform gerichtet ist; dabei müssen allerdings nicht alle Teilnehmer mit den von den Veranstaltern geäußerten Vorstellungen übereinstimmen (BVerwG, a.a.O.). Auch sind die vom Versammlungsrecht geschützten Veranstaltungen nicht auf Zusammenkünfte herkömmlicher Form wie z.B. Aufmärsche mit Transparenten und Kundgebungen beschränkt (vgl. BVerfG a.a.O.). Das Merkmal der gemeinschaftlichen kommunikativen Entfaltung darf mithin nicht eng verstanden werden und muss auf die real vorkommenden Spielarten kommunikativer Entfaltung Rücksicht nehmen (Hoffmann-Riem, a.a.O., Art. 8 Rn. 13). Das Anliegen der Versammlung, am öffentlichen Meinungsbildungsprozess teilzuhaben, kann auch nicht auf im engeren Sinne politische Zielrichtungen begrenzt werden (so wird aber die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts teilweise verstanden, Enders, Jura 2003, 34, 35f.; vgl. auch Wiefelspütz, NJW 2002, 274). Im Gegensatz zu der in der Literatur vertretenen Auffassung, dass es auf das Element des verbindenden Zwecks der Meinungsbildung und -äußerung nicht ankomme (vgl. nur Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: August 2000, Art. 8 Rn. 50; Benda, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Mai 2001, Art. 8 Rn. 27; Kniesel, in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001, Teil H, Rn. 14; Wiefelspütz, DöV 2001, 21, 22; Deutelmoser, NVwZ 1999, 240, 241 – so genannter weiter Versammlungsbegriff), sondern vielmehr jeder die Teilnehmer verbindende Zweck für die Einstufung als Versammlung ausreichend sei, sieht die Kammer aber in der Meinungsbildung und -äußerung ein unverzichtbares Element, um Versammlungen im eigentlichen Sinn von Ansammlungen und Volksbelustigungen abgrenzen zu können (vgl. die Entscheidung im Eilverfahren vom 28. Juni 2001, VG 1 A 166.01). Der hohe Stellenwert des Versammlungsgrundrechtes verbietet es, dessen Schutzumfang weiter auszudehnen, als der Zweck der Schutzgewährung es erfordert (OVG, Eilbeschluss in dieser Sache vom 6. Juli 2001 – OVG 1 S 11.01).

    Für die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 8 GG reicht es demgemäß nicht aus, dass die Teilnehmer bei ihrem gemeinschaftlichen Verhalten durch irgendeinen Zweck miteinander verbunden sind. Unter den Versammlungsbegriff fallen deshalb Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen ebensowenig wie Veranstaltungen, die der bloßen Zurschaustellung eines Lebensgefühl dienen oder die als eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete öffentliche Massenparty gedacht sind, einerlei, ob der dort vorherrschende Musiktyp ein Lebensgefühl von so genannten Subkulturen ausdrückt oder dem Mehrheitsgeschmack entspricht (BVerfG, Eilbeschluss in dieser Sache vom 12. Juli 2001 – BvQ 28/01, NJW 2001, 2459). Vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit sind Versammlungen zwar auch dann erfasst, wenn sie sie ihr kommunikatives Anliegen mit Musik und Tanz verwirklichen, soweit diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken. Eine Musik- und Tanzveranstaltung wird jedoch nicht allein dadurch insgesamt zu einer Versammlung im Sinne von Art. 8 GG, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungskundgaben erfolgen. Die rechtliche Beurteilung richtet sich danach, ob die Veranstaltung aus der Sicht eines unbeteiligten Beobachters ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung ist oder ob der Spaß-, Tanz- oder Unterhaltungszweck im Vordergrund steht. Bei der Frage, welches Gesamtgepräge einer Veranstaltung zukommt, ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten berechtigt sind, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machen und welchen Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen (BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001, a.a.O.). Bleiben Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001, a.a.O.).

    Die Kammer hat in einer Reihe von Entscheidungen Indizien und Beurteilungskriterien entwickelt, um die im Einzelfall schwierige Abgrenzung zwischen einer Versammlung und einer Musik- und Spaßveranstaltung vorzunehmen. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Schematische Regeln wie beispielsweise das Erfordernis eines bestimmten Anteils von Redebeiträgen verbieten sich nicht zuletzt deshalb, weil die Ausrichter rein kommerzieller Unterhaltungsveranstaltungen sonst durch „Abarbeiten“ bestimmter Kriterien einem „Event“ den Anschein einer Versammlung geben könnten.

    Zunächst müssen Elemente der Meinungskundgabe deutlich für Außenstehende wahrnehmbar sein. Dazu zählen Redebeiträge, Transparente, Plakate, Symbole mit Aussageinhalt, Flugblätter und die Erläuterung des Anliegens etwa in den neuen Medien wie dem Internet (zu Redebeiträgen auf Musikveranstaltungen vgl. Beschluss vom 4. Juli 2003 – OVG 1 S 48.03 –, „Fuckparade 2003“). Nicht jedes dieser Elemente muss notwendig vorhanden sein. So gibt es traditionelle Formen der Versammlung wie den Schweigemarsch und die Mahnwache, die völlig ohne Redebeiträge auskommen. Sie enthalten aber gleichwohl eine für den Außenstehenden eindeutig erkennbare, konkludente Meinungskundgabe.

    Zugleich sind Indizien zu berücksichtigen, die gegen die Annahme einer beabsichtigten Meinungskundgabe sprechen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Meinungskundgabe nur vorgeschoben ist, wie sich aus beliebigen, inhaltsleeren Motti und Parolen ergeben kann (vgl. Beschluss der Kammer vom 28. Juni 2001 – VG 1 A 195.91 –, bestätigt vom OVG Berlin, Beschluss vom 6. Juli 2001 – OVG 1 SN 54.01 – sowie vom BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001 – 1 BvQ 30/01 –, „Love Parade 2001“). Gegen eine Meinungskundgabe spricht ferner, wenn die Veranstaltung keinen konkreten Bezug zu einem bestimmten Anlass aufweist, sondern ohne erkennbaren historischen Anknüpfungspunkt periodisch, insbesondere jährlich abgehalten und für mehrere Jahre im voraus „auf Vorrat“ angemeldet wird (vgl. zu einer Versammlung aus besonderem Anlass das Urteil vom 19. November 2003 – VG 1 A 267.02 –, „Berlin geht baden!“). Schließlich können auch die Kommerzialität und kommerzielle Interessen des Veranstalters gegen die Annahme einer beabsichtigten Meinungskundgabe sprechen (vgl. den Beschluss der Kammer vom 2. November 2000 – VG 1 A 335.00 –, bestätigt vom OVG Berlin, Beschluss vom 30. November 2000 – OVG 1 SN 101.00 –, „Weihnachtsparade“), selbst wenn der beabsichtigte kommerzielle Erfolg erst längerfristig realisierbar erscheint (vgl. den Beschluss der Kammer vom 22. Juni 2004 – VG 1 A 148.04 –, „Music-Day 2004 I).

    Ferner gibt es eingeführte Formen öffentlicher Veranstaltungen, die keine Versammlung sind. Traditionell zählen hierzu Volksfeste sowie Umzüge mit Darbietungscharakter für am Rande stehende Zuschauer, die nicht selbst teilnehmen. Dies betrifft beispielsweise – trotz seiner nicht unpolitischen Wurzeln – den Karneval. Schließlich gehören hierher öffentliche Massenpartys, bei denen von einer Vielzahl von Musikwagen laute Tanzmusik für die Teilnehmer abgespielt wird. Dies gilt auch für solche Veranstaltungen, die Ausdruck eines Lebensgefühls oder des Lebensstils einer Subkultur sind (vgl. die Eilbeschlüsse in dieser Sache, zur „Love Parade 2001“ sowie zum „Music Day 2004“). Wählt der Veranstalter eine solche Form der Zusammenkunft, müssen für Außenstehende klar und deutlich erkennbare Merkmale der Meinungskundgabe hinzutreten, um annehmen zu können, dass der Schwerpunkt der Veranstaltung nach seinem Gesamtgepräge auf dem Ziel der Meinungsäußerung und -bildung liegt.

    Als Beurteilungsmaterial heranzuziehen sind insbesondere der Inhalt der Anmeldung, Aufrufe zur Veranstaltung auch in den neuen Medien, die Person des Veranstalters – beispielsweise eine „Event-Agentur“ (vgl. den Beschluss der Kammer vom 7. September 2004 – VG 1 A 249.04– „Fünfzehn Jahre Mauerfall“) – sowie der Verlauf früherer Veranstaltungen und eine sich bildende Tradition.

    Nach diesen Maßstäben handelt es sich nach Überzeugung der Kammer bei der für das Jahr 2001 zunächst angemeldeten „Fuckparade“ nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts. Zwar weist die Veranstaltung Elemente der Meinungskundgabe auf. Dies gilt für die bei der Gelegenheit der Parade zu verteilenden Flyer sowie für den Internet-Auftritt. Bei den Motti der Veranstaltung handelt es sich, wie die Kammer im Eilverfahren hervorgehoben hat, nicht um sinnentleerte Schlagworte, wobei die angesprochenen Themen allerdings heterogen und vage sind. Darüber hinaus mag die Wegstrecke, wenn auch für Außenstehende nicht leicht erkennbar, einen Bezug zum Anliegen der Veranstalter aufweisen. Gleichwohl handelt es sich bei der Veranstaltung ihrem äußeren Erscheinungsbild nach um eine Massenparty, bei der Spaß und Unterhaltung im Vordergrund stehen. Die Teilnehmer sollten hinter den Musikwagen laufen und zur gespielten Musik ihres Geschmacks tanzen. Dieser Charakter der Veranstaltung, die noch im Jahre 2000 vom Veranstalter selbst als Party bezeichnet worden war, steht derart im Vordergrund, dass er das Gesamtbild entscheidend prägt. Um einen Status als Versammlung zu erlangen, hätte es bei dieser Form des Ereignisses deutlicherer Merkmale der Meinungskundgabe bedurft, etwa wie in den Folgejahren in Form von Redebeiträgen. Der Flyer ist trotz des zitierten Textes kaum von einer Partywerbung zu unterscheiden. Darüber hinaus spricht die Periodizität der Veranstaltung, die jährlich am Tag der Love Parade stattfand, und die fast unveränderte Fortführung der Motti aus den Vorjahren eher gegen einen konkreten Beitrag zu öffentlichen Meinungsbildung. Um in der Musik selbst eine Meinungskundgabe zu erkennen, müssten die Zuhörer die Musik mit einer bestimmten politischen Botschaft verbinden oder ihr besonderes Augenmerk auf die transportierte Aussage richten. Dies mag z.B. für bestimmte Hymnen und bekannte Protestsongs oder für manchen Rap-Song gelten, der für die Zuhörer verständliche Texte vorträgt. Dies trifft aber nicht insgesamt oder überwiegend für die auf der „Fuckparade“ vertretenen Musikstile zu, bei denen Rhythmus, Tonfolge und Lautstärke im Vordergrund stehen und die nicht mehr sind als der Ausdruck eines bestimmten Musikgeschmacks und des Lebensstils bestimmter Subkulturen. Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, dass für ihn als Discjockey das Auflegen der Musik das Werkzeug ist, um seine Meinung kundzutun, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Verwendung seiner Ausdrucksmittel auf einer Versammlung durch eine nach außen erkennbare Meinungskundgabe von der sonst üblichen Clubunterhaltung unterscheiden muss, um der Veranstaltung das Gesamtgepräge einer Versammlung zu verleihen. Auch die Entstehungsgeschichte der Fuckparade kann nicht als Beleg für eine Meinungskundgabe gewertet werden. Die Abspaltung von der Love Parade richtete sich zwar gegen deren immer kommerziellere und am Massengeschmack orientierte Ausrichtung, wollte aber nicht in erster Linie Protest, sondern Vorleben eines anderen Lebensstils und Musikgeschmacks sein. Ein anderer Zuschnitt der Musikwagen und eine andere Form der Versorgung der Teilnehmer mit Getränken betonen zwar den Unterschied zur „Love Parade“. Aber auch eine Gegenparty bleibt eine Party. Schließlich lässt auch der nicht-kommerzielle Charakter der Fuckparade insoweit keine Rückschlüsse zu. Dass der kommerzielle Charakter einer Veranstaltung ein Indiz ist, das gegen eine Versammlung sprechen kann, macht nicht jede nicht-kommerzielle Veranstaltung deshalb schon zu einer Versammlung.

  3. 3. Der Hilfsantrag ist begründet. Der Bescheid es Polizeipräsidenten in Berlin vom 14. Mai 2001 war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO entsprechend). Wie die Kammer in ihrer Entscheidung vom 19. November 2003 (VG 1 A 267.02) dargelegt hat, stellt eine für sofort vollziehbar erklärte Mitteilung der Versammlungsbehörde, es handele sich bei einer angemeldeten Veranstaltung nicht um eine Versammlung nach Art. 8 GG, einen feststellenden Verwaltungsakt dar. Weder § 14 VersG noch § 15 Abs. 1 VersG bieten eine hinreichende Rechtsgrundlage für eine derartige Feststellung.

    1. Der Bescheid vom 14. Mai 2001 war nach Überzeugung des Gerichts ein feststellender Verwaltungsakt. Feststellende Verwaltungsakte sind solche, durch die rechtserhebliche Eigenschaften in Bezug auf einen Einzelfall verbindlich festgestellt oder abgelehnt werden (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 142). Die Regelung im Sinne des § 35 VwVfG ist darin zu sehen, dass in einer rechtlich ungewissen Situation die Sach- und Rechtslage in einem Einzelfall durch eine verbindliche Feststellung geklärt wird (Hennecke, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 35 Rn. 90; unter Verweis auf VGH Mannheim, Urteil vom 28. April 1982 – 5 S 2334/81 –, NVwZ 1983, 100). Ein feststellender Verwaltungsakt in diesem Sinn liegt nur dann vor, wenn der betroffene Bürger unter Berücksichtigung aller ihm bekannten oder erkennbaren Umstände nach Treu und Glauben bei objektiver Auslegung die Erklärung der Behörden als eine verbindliche Regelung auffassen konnte oder musste (VGH Mannheim, a.a.O.). So lag der Fall hier, weil die – sogar für sofort vollziehbar erklärte – Verfügung mit dem Inhalt, dass es sich bei der für den 14. Juli 2001 vom Kläger geplanten Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG bzw. § 14 Abs. 1 VersG handele, deren Rechtsqualität verbindlich und objektiv nach außen erkennbar festlegen wollte (a.A. zur versammlungsrechtlichen Bestätigung aber Dietel/Gintzel/Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 13. Aufl. 2004, § 14 Rn. 16: „bloße Mitteilung ohne Rechtsfolgen; dagegen aber Ibler, DVBl. 2000, 1803 und Lisken/Denningen, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, H Rn. 286: „Tatbestandswirkung).

    2. Der so verstandene Bescheid war mangels einer rechtlichen Grundlage für die behördliche Entscheidung rechtswidrig.

    In der Rechtsprechung ist geklärt, dass feststellende Verwaltungsakte jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, wenn ihr Inhalt belastend ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 29. November 1985 – 8 C 105/83 –, BVerwGE 72, 265 m. zahlreichen weiteren Nachweisen; OVG Weimar, Beschluss vom 16. November 2001 – 4 EO 221/96 –, LKV 2002, 336; Henneke, in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2004, § 35 Rn. 90). Erforderlich ist aber keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, sondern es genügt, wenn sich eine solche im Wege der Auslegung ermitteln lässt (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1979 – 8 C 77.78 –, Buchholz 454.51 und Beschluss vom 2. Juli 1991 – 1 B 64.91 –, NVwZ-RR 1992, 192). Unter welchen Voraussetzungen ein feststellender Verwaltungsakt belastende Wirkung entfaltet, wird in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich gesehen. Nach einer Ansicht ist dies nur der Fall, wenn der Inhalt der Entscheidung nicht mit der Rechtsauffassung des Adressaten übereinstimmt, diese also etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen nicht für Rechtens hält (BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1986 – 8 C 53.85 –, NJW 1987, 969 [„Negativtest“]; OVG Frankfurt/Oder, Beschluss vom 1. Dezember 1999 – 4 B 127/99 –, NJW 2000, 1435). Demgemäß liegt keine belastende Feststellung vor, wenn die Meinung des Antragstellers in dem Bescheid nur bestätigt wird (so wohl auch Markworth, Versammlungsfreiheit in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Berlin, Festschrift für Günter Berge 1989, S. 83, 87/88; zum Streitstand: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 35 Rn. 143, Fn. 1333). Nach anderer Auffassung sollen feststellende Verwaltungsakte stets von (zumindest latent) belastender Qualität sein (BVerwG, Urteil vom 29. November 1985, a.a.O.). Es könnte nämlich keine Rede davon sein, dass derjenige, der von einer Behörde die Bestätigung einer ganz bestimmten, von ihm für vorteilhaft gehaltenen Rechtsauffassung erbitte, dadurch sein Einverständnis erkläre, dass die Behörde förmlich und dementsprechend der Bestandskraft fähig eine inhaltlich abweichende Feststellung treffe (Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 143, Fn. 1334). Eine Entscheidung über die unterschiedlichen Ansichten ist hier entbehrlich, da nach allen hierzu vertretenen Auffassungen vorliegend unzweifelhaft eine Belastung zu bejahen ist. Abgesehen davon nämlich, dass die inhaltliche Bewertung des Vorhabens des Klägers nicht mit ihrer hierzu vertretenen Auffassung übereinstimmte, enthielt die angegriffene Feststellung auch objektiv eine Belastung, weil der Beklagte dem Kläger die mit der Versammlungseigenschaft verbundenen rechtlichen Vorteile (z.B. die sog. Polizeifestigkeit der Versammlung, vgl. hierzu nur: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, H Rn. 206; Ridder u.a., Versammlungsrecht – Kommentar, 1992, § 15 Rn. 38) nicht zugestehen wollte.

    Eine damit für die angegriffene Entscheidung erforderliche (a.A., aber ohne weitere Begründung vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 12. Juli 2001 – 16 VG 2524/2001 –, zitiert nach juris, am Ende) Rechtsgrundlage lag hier indes nicht vor. Das Versammlungsgesetz enthält keine ausdrückliche Bestimmung, nach der die Versammlungsbehörde über die Versammlungseigenschaft einer bei ihr angemeldeten Veranstaltung durch feststellenden Verwaltungsakt verbindlich entscheiden dürfte. Auch aus sonstigen Bestimmungen des Versammlungsgesetzes erfolgt eine solche Befugnis nicht. Der Beklagte konnte sich vorliegend weder auf § 14 Abs. 1 VersG noch auf § 15 Abs. 1 VersG stützen.

    Nach § 14 Abs. 1 VersG hat derjenige, der die Absicht hat, eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel abzuhalten, dies spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung anzumelden. Damit regelt die Bestimmung nur einseitig die Pflichten desjenigen, der eine Versammlung durchzuführen beabsichtigt, knüpft aber an die Verletzung dieser Pflicht keine behördliche Befugnis. Somit dient die Vorschrift erkennbar und ausschließlich dem Zweck, der Versammlungsbehörde Kenntnis von der beabsichtigten Veranstaltung zu geben, damit diese die notwendigen organisatorischen Maßnahmen treffen. Dazu zählt etwa, sich mit anderen Fachbehörden ins Benehmen zu setzen, Verkehrsbeschränkungen vorzunehmen oder aber Polizeibeamte bereitzustellen. Dass mit § 14 Abs. 1 VersG aber darüber hinaus bezweckt werden sollte, der Behörde auch die Befugnis über eine verbindliche Entscheidung zur rechtlichen Einordnung der geplanten Veranstaltung zu ermöglichen, lässt sich weder aus seinem Wortlaut noch seinem Sinn und Zweck entnehmen. Die Möglichkeit, dass die (fachkundige) Behörde dem Anmelder einer Veranstaltung ihre Rechtsansicht zur Einstufung des Vorhabens in einem einfachen Schreiben mitteilt, bleibt hiervon unberührt.

    Auch § 15 Abs. 1 VersG gibt die in Streit stehende Befugnis nicht her. Danach kann eine Versammlung oder ein Aufzug von der zuständigen Behörde verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn nach den zur Zeit des Erlassens der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung einer Veranstaltung unmittelbar gefährdet ist. In dieser gesetzlichen Bestimmung ist nach Überzeugung der Kammer ebenso wenig eine hinreichende Grundlage für die in Streit stehende Feststellung zu sehen. Mögen die Folgen eines versammlungsrechtlichen Verbotes sich für den Anmelder in tatsächlicher Hinsicht ebenso auswirken wie die hier in Rede stehende „Nichtbestätigung“, sind die rechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht deckungsgleich. Greift die Rechtsfolge dieser Norm nämlich nur bei Bestehen einer Versammlung ein, so kann die „Nichtbestätigung“ auch nicht als mögliche „Minus-Maßnahme“ (vgl. hierzu Lisken/Denninger, a.a.O., H Rn. 561; kritisch: Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O., § 1 Rn. 265) angesehen werden, weil der Fall von vornherein nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmung erfasst ist.

Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die grundlegende, eine Vielzahl von Veranstaltungen betreffende Frage der Abgrenzung der Versammlung von der bloßen Unterhaltungsveranstaltung ist bislang in Hauptsachverfahren weder obergerichtlich noch höchstrichterlich geklärt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Versammlungsbehörde befugt ist, das Nicht-Vorliegen einer Versammlung durch Verwaltungsakt festzustellen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

[…]

Dr. Rueß, Groscurth, Marticke