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Zusammenfassung: Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat am 4. Juli 2003 beschlossen, die Beschwerde des Polizeipräsidenten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts abzuweisen. Die Fuckparade 2003 ist damit als Demonstration zugelassen.

OVG 1 S 48.03

Oberverwaltungsgericht Berlin
Beschluss

In der Verwaltungsstreitsache

des Landes Berlin, vertreten durch den Polizeipräsidenten in Berlin, Stab PPr, Stab 6, Platz der Luftbrücke 6, 12096 Berlin, Antragsgegner und Beschwerdeführer,

gegen

Herrn Thomas Rupp, Antragsteller und Beschwerdegegner,

Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwältin Inka Bock, […] Frankfurt am Main

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin durch

  • die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Ehricke und Dr. Broy-Bülow sowie
  • den Richter am Oberverwaltungsgericht Wahle

am 4. Juli 2003 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf € 4.000,— festgesetzt (§§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG).

Gründe

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 30. Juni 2003, mit dem es der Antragsgegner abgelehnt hat, die Anmeldung der „Fuckparade 2003“ entgegenzunehmen und zu bestätigen, weil es sich um keine Versammlung im Sinne von Art. 8 GG handele, zu Recht wiederhergestellt. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Das mit Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 2. Juli 2003 „konsolidierte“ Konzept des Verlaufs der „Fuckparade 2003“ behält entgegen der Auffassung der Beschwerde auch dann noch das Gesamtgepräge einer Versammlung, wenn der zeitliche Schwerpunkt der Veranstaltung auf den Musik- und Tanzveranstaltungen während des Umzuges liegt. Dieser ist nach der vom Veranstalter dargestellten Konzeption nicht nur in Redebeiträge zum Auftakt und zum Abschluß der Veranstaltung eingebettet, die fraglos einer Meinungskundgabe dienen. Hinzu tritt vielmehr die mit der Streckenführung beabsichtigte demonstrative Herstellung des Zusammenhanges mit dem Anliegen des Veranstalters, das darauf gerichtet ist, namentlich die „fortschreitende Privatisierung des öffentlichen Raums im Zuge der globalen Kommerzialisierung“ sowie die „Ausgrenzung und Kriminalisierung kultureller Minderheiten“ anzuprangern. Von der dem Antragsgegner und dem Verwaltungsgericht unterbreiteten Konzeption her läßt sich der Versammlungscharakter der „Fuckparade 2003“ mithin aus der Sicht eines objektiven Betrachters schwerlich verneinen. Die Notwendigkeit einer Wertung der „Relation versammlungsrechtlicher Elemente zum übrigen Verlauf der Veranstaltung“, die die Beschwerde im angegriffenen Beschluß vermißt, ließe sich mithin nur aus dem tatsächlichen Verlauf der im Jahr 2002 durchgeführten Veranstaltung herleiten, bei der die Zahl und die Dauer der gehaltenen Reden sowie die Anzahl der von den Teilnehmern während des Aufzuges mitgeführten Transparente nicht dem Umfang der Anmeldung entsprochen haben soll. Abgesehen davon, daß sich der Versammlungscharakter angesichts von Redebeiträgen im Umfang von immerhin – unstreitig – 35 Minuten und der seinerzeit bewußt verfolgten Abgrenzung zur „Love Parade 2002“ jedenfalls nicht ohne weiteres ausschließen ließe, könnten aus dem tatsächlichen Verlauf der „Fuckparade 2002“ Schlußfolgerungen für den Verlauf der diesjährigen Veranstaltung, die ihr den Versammlungscharakter von vornherein nähmen, nur dann gezogen werden, wenn hierfür eine durch nachweisbare Tatsachen gesicherte Grundlage bestünde (vgl. zu den Maßstäben der Gefahrenprognose im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 VersammlG: Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 21. April 1998 – 1 BvR 231/94 – [NVwZ 1998, S. 834]). Die vom Antragsgegner gehegten Zweifel lassen sich zwar nicht von der Hand weisen; eine gesicherte Tatsachengrundlage ergibt sich aus seinem – zudem bestrittenen – Vorbringen jedoch nicht.

Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ehricke, Broy-Bülow, Wahle