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Fuckparade-Demo vor US-Botschaft: Musik gegen Gewehre

Maskierter Soldat mit Maschinengewehr, im Hintergrund weitere Soldaten und Raver auf und vor einer KonzertbühneDrei Wochen nach der brutalen Räumung des tschechischen Freetekno-Festivals CzechTek, bei der hundert Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, kam es am 20. August im US-Bundesstaat Utah zu erneuter Polizeigewalt. Dagegen demonstriert die Fuckparade am Freitag, den 9. September, ab 16 Uhr vor der US-Botschaft in Berlin. Anschließend geht es mit einem Noizecore-Wagen vor die tschechische Botschaft in der Wilhelmstraße.

90 Polizisten und SWAT-Einheiten stürmten gegen 23:30 den Rave Versus II. Als der Veranstalter seine Genehmigung vorzeigte und meinte „ich habe eine Genehmigung“, wurde sie ihm von der Polizei aus der Hand gerissen mit den Worten „nein, hast du nicht“. Dann wurde ihm ein Maschinengewehr an den Kopf gehalten und geraten „get the fuck out of here now.

Soldaten bedrohten mit vorgehaltener Waffe auch andere Besucher der Drum’n’Bass-Party. Erschütternde Augenzeugenberichte erzählen auf der Website Music-versus-Guns.org von Gasgranaten, Schlägen und Tritten, auch wenn die Opfer schon am Boden lagen, von willkürlichen Verhaftungen, von Vernichtung von Beweismaterial, weil Kameras und Foto-Handys beschlagnahmt oder zerstört wurden. 60 Personen wurden verhaftet. Darunter auch alle Sicherheitsleute, deren Job es unter anderem war, Alkohol und Drogen zu beschlagnahmen – wegen Drogenbesitzes!

Die Fuckparade verurteilt diese sinnlose und völlig unangemessene Polizeigewalt! Tanzende sind keine Terroristen! Warum hat der Staat Angst vor seinen eigenen Bürgern? Unsere Erfahrung von Polizeieinsätzen bei Parties zeigt, daß Dialog in der Regel möglich ist. Mit Dialogbereitschaft, dem Ermessensspielraum der Polizei und etwas Kompromißbereitschaft bei den Veranstaltern läßt sich meistens eine Lösung finden, die für beide Seiten akzeptabel ist. Selbst bei unangemeldeten Parties! Das gleiche sollte doch gerade für angemeldete Parties auf legal gemietetem Grund gelten!

Nur ein Beispiel für die absolute Unverhältnismäßigkeit: Ein Hauptargument für die Räumung von CzechTek waren die Schäden, die auf den Wiesen anderer Eigentümer durch Teilnehmer entstanden sind (das Festival-Gelände selbst war legal gemietet). Der Schaden wird auf umgerechnet etwa 7.000-10.000 Euro beziffert. Rechtfertigt das körperliche, zum Teil lebensbedrohliche Gewalt gegen 6.000 Menschen? Der Schaden, der durch die Polizei an Fahrzeugen und Technik angerichtet wurde, beläuft sich dagegen auf etwa 65.000 Euro, fast das Zehnfache der Schäden an Wiesen und Weiden! Und der Einsatz der 1.000 Polizisten, der Wasserwerfer, Helikopter und des Panzers kostete den Staat nach Aussagen einer Polizeisprecherin etwas über eine Million Euro!

Die Organisatoren der Fuckparade rufen darum auf zum Protest vor der US-Botschaft in Berlin, anschließend ziehen wir weiter vor die tschechische Botschaft.

Doch das ist nicht der einzige Protest außerhalb der jährlichen Fuckparade: Schon im August 2003 versammelten sich Teilnehmer der Fuckparade, um gemeinsam mit Dr. Motte vor der französischen Botschaft unter dem Motto „Keine Granaten auf Raver“ zu demonstrieren. Zeitgleich fand eine Demonstration vor dem französischen Konsulat in Frankfurt statt. Mitveranstalter Trauma XP sprach auch vergangenes Wochenende bei der Frankfurter Nachttanzdemo zu den Themen Polizeigewalt, CzechTek und Versus II. Und im November soll es eine Demonstration vor dem Europäischen Parlament in Straßburg geben. Dazu werden Soundsysteme aus ganz Europa erwartet. Fight for your right to party!

Auch wenn es uns schwer fällt, in einer Zeit, in der die Welt gemeinsam mit der amerikanischen Bevölkerung um die Opfer des Hurricans trauert, Protest zu formulieren, ist es uns wichtig, diejenigen nicht im Stich zu lassen, die am 20. August von der massiven Polizeigewalt in Utah getroffen wurden. Durch das schiere Ausmaß der humanitären Katastrophe und das Versagen der US-Regierung in New Orleans, wodurch zudem das rassistische Klassensystem deutlich wurde, wird das Schicksal der Betroffenen in Utah nicht leichter. Für die Einzelnen ist es eine schwerwiegende, traumatische Erfahrung. Dabei wollen wir ihnen zur Seite stehen.

Oder wie es ein amerikanischer DJ, der ungenannt bleiben wollte, formulierte: „That was terrible, totally unnecessary and totally typical. The military was there in hours for a rave, but took days to get to New Orleans? Ridiculous.

Kontakt:

Martin Kliehm (DJ Trauma XP)
trauma@fuckparade.org, www.fuckparade.org