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Stellungnahme des Fuckparade-Plenums zu den offenen Briefen der Freak Animals Crew

Die dem Köpi nahestehende Gruppe „Freak Animals“ hat in offenen Briefen an Redaktionen (Jungle World, Indymedia) und Mailinglisten Kritik an der Teilnahme von „Bunker Tom“ und seinen Freunden auf der Fuckparade geäußert. Hier die Stellungnahme des Fuckparade-Plenums vom 20. September 2003:

Bunker-Tom bot seine Mithilfe seit 1997 bei der Fuckparade an. Seine Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, neben einem LKW herzulaufen und darauf zu achten, daß niemand unter die Räder kommt. Auch bei Parties hat er beim Auf- und Abbau sowie an der Tür mitgeholfen. Zum „inneren Kern“ der Anmelder gehört er jedoch nicht. Freak Animals verwenden den Begriff der „Orga-Crew“, was mißverständlich ist, da die Fuckparade eine offene Gruppe ist. Die Vorbereitungstreffen sind öffentlich, jedeR kann daran teilnehmen. Bunker-Tom und Freunde waren dieses Jahr selten dort, in den Jahren zuvor unregelmäßig bei etwa der Hälfte der Treffen.

Er wurde von uns schon letztes Jahr auf seine politische Einstellung angesprochen, und wir haben mit ihm ausgiebig diskutiert. Wir waren keineswegs untätig und nehmen das Thema sehr ernst. Es ist derzeit das Thema in der internen Diskussion. Auch auf dem Fuckparade-Treffen vor zwei Wochen, das einberufen wurde, um Bunker-Tom Gelegenheit zur persönlichen Stellungnahme zu geben, betonte dieser, kein Nazi zu sein und nichts gegen Juden zu haben, nur gegen den jüdischen Staat und seinen Umgang mit den Palästinensern. Er distanzierte sich von Nazis und versprach, das auch öffentlich auf seiner Website zu tun. Ferner will er künftig dafür sorgen, daß die Gästebuch-Einträge genauer beobachtet und ggf. moderiert werden. Die geschmacklose Satire-Webpage wurde durch Einwirken XOL DOG 400 auf Bunker-Tom vor einigen Monaten gelöscht, nicht aufgrund einer Freak Animals-Anprangerung.

Wir stellen fest: Nach Einschätzung des Plenums hat Bunker-Tom wie auch schon früher glaubwürdig dargelegt, kein Nazi zu sein. Wir werden sehr genau beobachten, daß seine Versprechen auch umgesetzt werden, sonst besteht keine Basis für eine weitere Mitarbeit. Die Fuckparade distanziert sich ausdrücklich von Nazis, Antisemitismus und Homophobie.

Es bleibt aber auch festzustellen, daß die Rolle von Bunker-Tom und der Bin-Laden-Crew im Rahmen der Fuckparade von Freak Animals stark überbewertet wird, daß sich Freak Animals dem Dialog verweigert haben, trotz Terminabsprache dem Plenum fernblieben. Es drängt sich der Eindruck auf, daß hier eine Vorverurteilung und Diffamierungskampagne gestartet wurde in der spießigen Gewißheit von Unfehlbarkeit. Was sie übrigens nicht davon abgehalten hat, am Fuckparade-Termin Parties in der Köpi zu organisieren und von Gästen der Fuckparade zu profitieren.

Die Fuckparade war übrigens nie, wie auf Indymedia behauptet, am Hermannsplatz, und bei manchmal mehreren tausend TeilnehmerInnen kann niemand ausschließen, daß Spinner dabei sind. Wir haben aber Gewalt, Nazi-Symbole oder -Sprüche auf der Fuckparade niemals toleriert! Andererseits kann man es sich leider auch nicht so einfach machen, alle Glatzen mit Lonsdale-Shirt in die Nazi-Schublade zu stecken und zu verbannen. Denkt mal darüber nach. Die Welt ist nicht immer so schwarz-weiß, wie einige naiv-radikale Seelen sie begreifen wollen.

Update

Inzwischen haben wir 2006, und die ganze Suppe kocht wieder hoch. Diesmal von einer anonymen „AG Fred Hirschmann“. Also nochmal: Seit 2003 inklusive waren Bunker-Tom und die Bin-Laden Crew trotz des obigen, vielleicht „zu weichen“ Statements von der Organisation der Fuckparade und jeder Funktion auf der Demo selbst wie auch auf den begleitenden Parties ausgeschlossen. Sie haben 2005 versucht, eine eigene Demo unter dem Namen anzumelden, was wir aber verhindern konnten.

Gewalt oder Nazis auf der Fuckparade werden keinesfalls geduldet, und wir unternehmen sofort entsprechende Schritte, sobald wir Kenntnis von solchen Vorfällen erhalten. Wir versuchen das zunächst selbst zu regeln, sofern es noch nicht durch Teilnehmer geschehen ist. Aktiv teilnehmen, nicht bloß konsumieren. Das funktioniert meistens.

Wenn das alles nicht geht, wenden wir uns als Organisatoren notfalls an die Polizei, die in einem solchen Fall ausnahmsweise die Aufgabe hat, unsere Demonstrationsfreiheit zu garantieren. Das wiederum hat uns den Vorwurf der Kollaboration und mangelnder Radikalität eingebracht. Das ist nicht wirklich neu, der gleiche Vorwurf kam schon 1998 1999 von EC8OR von Alec Empire’s Label DHR, der seinerzeit bei einer 1. Mai-Demo einen Auftritt hatte. Was diese Form von Radikalität erreichen soll, ob das echter Zorn, Mut, Dummheit oder ein PR-Video war, mag jeder selbst beurteilen.

Neu ist aber der Vorwurf der Liberalität, weil wir versuchen, mit Behörden den Dialog aufzunehmen, um tatsächlich etwas zu verändern, anstatt uns wie „Freak Animals“ oder „Fred Hirschmann“ zornige, aber unwirksame Flugblätter auszudenken und von einem anderen Staat ohne Polizei zu träumen.

Zugegeben, es kann sein, daß wir einigen nicht radikal genug sind. Wir sind in der Mehrzahl eben eher realistisch. Wir denken aber, daß es wichtiger ist, sich gegen Repression und Nazis zu organisieren, als daß sich linke Gruppierungen mal wieder gegenseitig zerfleischen, weil ihnen andere nicht links genug sind. Letztlich wollen wir aber langfristig etwas verändern, nicht kurzfristig ausbrennen, ohne daß jemand unsere Arbeit fortführt.

Martin Kliehm (DJ Trauma XP)
trauma@fuckparade.org, www.fuckparade.org

Last edited 2006-08-25, 13:01