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Bundesverfassungsgericht weicht Entscheidung aus

In seinem heutigen Beschluß 1 BvQ 28/01 hat das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, dem schwammigen Demonstrationsbegriff Konturen zu geben, nicht genutzt.

Die Anträge auf den Erlaß einstweiliger Anordnungen, Fuckparade und Love Parade als Versammlungen durchzuführen, hat das Bundesverfassungsgericht abgelehnt.

Insgesamt hat das oberste Gericht enttäuscht: Statt einer eigenen, differenzierten Betrachtung verweist es darauf, daß es „dem Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren grundsätzlich verwehrt“ sei, „seine Beurteilung an die Stelle der von orts- und sachnäheren Fachgerichten vorgenommenen zu stellen“. Die rechtliche Einordnung als Versammlung stünde allein den dazu berufenen Gerichten zu. In den vorliegenden Fällen seien die rechtlichen Bewertungen jedenfals nicht offensichtlich fehlerhaft. Die rechtliche Bewertung könne abschließend nur im Hauptverfahren, nicht im Eilverfahren geklärt werden.

Realitätsfremd ist die abschließende Bemerkung, auch der Fuckparade bliebe die Möglichkeit, eine Sondernutzungsgenehmigung zu beantragen. „Deren Erteilung sollte nicht allein aus zeitlichen Gründen versagt bleiben.“ Eine kostenneutrale Sondernutzungsgenehmigung in nur einem Tag?

Damit wurde der Fuckparade ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit verwehrt. Durch die Form eines „Straßenfestes“ werden die politischen Ziele verwässert, auch gibt es erhebliche Gebühren, die an die Behörden zu entrichten sind, wodurch uns ein öffentliches Vortragen unseres Anliegens unmöglich gemacht würde. Künftig gibt es also ein Demonstrationsrecht nur noch für reiche Konzerne?

Die Veranstalter haben nun eine neue Demonstration angemeldet: Für die Demonstrationsfreiheit, für eine freie Wahl der Mittel einer Demonstration. Start ist am Samstag um 14 Uhr am Frankfurter Tor. Dann geht die Demonstration „old-school-mäßig“ wie in den 68ern mit Spruchbändern, Megafonen und Sprechchören die Karl-Marx-Allee hinunter, über den Alexanderplatz und die Rosa-Luxemburg-Straße. Abschlußkundgebung ist vor der Volksbühne.

Um die Absurdität des Beschlusses aufzuzeigen rufen wir außerdem hiermit alle TeilnehmerInnen zu zivilem Ungehorsam auf: Bringt Musikinstrumente und Trommeln mit, mechanischen Lärm. Laut Auflage von der Versammlungsbehörde (13.07.2001) werden sie Ghettoblaster nicht zulassen! Laßt uns zeigen, daß Musik und Tanzen dem Anliegen einer Demonstration nicht widersprechen! Radio Fritz gibt uns Asyl und stellt von 14-18 Uhr einen Übertragungswagen an die Volksbühne, über den sich unsere DJs, MCs und RednerInnen im Sender Gehör verschaffen können. Die Demo-TeilnehmerInnen stellen damit gemeinsam – wenn auch auf der Demo selbst entsprechend der Auflage ohne Radios – das Soundsystem, das uns für die Fuckparade gerichtlich verboten wurde. Laßt uns den Sound politisieren und Politik mit Sound machen!

Mehr zum Hintergrund dieser Entscheidung:

Kontakt

Martin Kliehm (DJ Trauma XP)
berlin@fuckparade.org, www.fuckparade.org