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Join the Cash Republic! – Liebe für Geld

Eine der Forderungen auf dem Flyer der Fuckparade ist: „Vollständige Aufdeckung der Finanzen von Love Parade GmbH und ihrer Subunternehmen!“

Sie werden sich fragen: Lesen die denn keine Zeitungen? Aber die Love Parade hat doch bereits am 19. Juni ihre Finanzen aufgedeckt?

Hat sie nicht, wie wir hier aufzeigen wollen:

Ende Juni war zu lesen: Die Love Parade macht gar keine Millionengewinne, somit sei auch kein Gewinnstreben vorhanden und der umstrittene Demonstrationsstatus gerechtfertigt. Bescheidene 1,25 Millionen Mark hätte man in den vergangenen 5 Jahren als Rücklage beiseite gelegt, niemals Gewinn-Ausschüttungen an die Gesellschafter vorgenommen. Und die Rücklage sei nun aufgebraucht, da in diesem Jahr durch den Wegfall der Hauptsponsoren Camel, Fanta und e-Jay mit einem Verlust von 1,5 Millionen Mark zu rechnen sei. – Die Love Parade als Wohltätigkeitsverein?

Wohl kaum. Sonst wäre sie ein e.V., keine GmbH. Denn auch wenn die Werbeeinnahmen durch T-Mobil nicht satte 16 Millionen, wie von der Versammlungsbehörde gemutmaßt, sondern nur 710.000 DM betrugen, selbst wenn sich die Anmeldegebühr für einen Musikwagen „nur“ auf 6.960 DM beläuft, die Summe der diesjährigen Einnahmen aus den 50 Wagen also etwa 348.000 DM beträgt (nachzulesen im Beschluß des Berliner Verwaltungsgerichts zur Love Parade, VG 1 A 195.01), wenn man die 660.000 DM, die die Love Parade als kommerzielles Straßenfest dieses Jahr für Straßenreinigung und andere Gebühren zahlen muß, gegen die Einnahmen aus den Cateringrechten aufwiegt, selbst wenn man den Verkaufserlös der Bildrechte außer acht ließe (die taz berichtet z.B. am 6. Juli 1998 im Artikel „Love Parade zieht SFB über den Tisch“ von 800.000 DM), so erscheint es wenig glaubhaft, daß eine auf „Gewinnstreben ausgelegte Kapitalgesellschaft“ (VG Berlin, a.a.O.) zum Wohle der Raver plötzlich gemeinnützigen Vereinen Konkurrenz machen wird.

Wie lassen sich also diese „erstaunlichen Zahlen“ (Berliner Zeitung vom 20. Juni 2001) erklären? In dem oben zitierten Beschluß des Verwaltungsgerichts wird bereits festgestellt, daß eine „nicht unwesentliche“ Beteiligung des Geschäftsführers der Planetcom GmbH, Ralf Regitz, an der Love Parade GmbH besteht, daß die Existenz der Planetcom GmbHdamit wirtschaftlich und personell so unmittelbar und eng mit der Love Parade selbst verknüpft [ist], daß es geradezu lebensfremd wäre, insoweit allein auf die [Love Parade Berlin GmbH] abzustellen“.

Wir stellen also fest: Ralf Regitz, Geschäftsführer der Planetcom GmbH, ist einer der Gesellschafter der Love Parade Berlin GmbH mit einer „nicht unwesentlichen Beteiligung“, es besteht ferner eine unmittelbare und enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen den beiden Gesellschaften.

Regitz kennen wir aber auch als ehemaligen Betreiber des Techno-Tempels „E-Werk“ bis zu dessen Schließung im Juli 1997. Auch die laut Handelsregistereintrag 1998 und 1999 als Planetcom-Geschäftsführer ausgeschiedenen Hilke Saul, Andreas Roßmann und Lee Waters waren maßgeblich am E-Werk beteiligt, zuvor am alten Club „Planet“ in der Köpenicker Straße: Planet – Planetcom. Bereits 1996 berichtete der Tagesspiegel (Nr. 15710 vom 10.08.1996; „Kassensturz nach der Love Parade: Die Familienoberhäupter sind reich“) vom Love Parade-Wochenende im E-Werk. Regitz zeigte damals auf Anfrage die von der Love Parade hinreichend bekannte Haltung: „Genaue Zahlen sind nicht wichtig“. Kenner der Szene schätzten Karteneinnahmen von 350.000 DM.

Zurück in die Gegenwart: Zur Love Parade 2001 organisiert die Berliner Eventagentur „No Ufos“ im hierfür wiedereröffneten E-Werk die „Week of Love“. Nicht zwei Nächte wie 1996, sondern fünf. Wie die Love Parade-Website stolz verkündet: „Gemeinsam mit der ehemaligen E-Werk-Crew“ – Ralf Regitz und Partner.

Mayday = Payday?

Der erwähnte Artikel nennt Regitz auch noch als Mitgesellschafter der Mayday GmbH, dem Ausrichter zahlreicher Love Parade-Raves vergangener Jahre. Zwei Jahre später outet die taz („Ein Unternehmen, das keines sein will“ vom 30. März 1998) die Love Parade-Gesellschafterin Sandra Mollzahn als Mayday-Gesellschafterin. In der Gesellschafterliste vom 1. Januar 1999 tauchen Regitz und Mollzahn nicht mehr auf. Hier stoßen wir jedoch auf weitere vertraute Namen: Wilhelm Christian Roettger, alias William Roettger, Geschäftsführer der Mayday GmbH, ebenfalls Gesellschafter der Love Parade GmbH. Weitere Mayday-Gesellschafter sind Christoph Fabian Lenz, alias DJ Dick, Bruder und Mitgesellschafter von Maximilian Lenz, alias Westbam. Schließlich finden wir dort noch Klaus Jürgen Jankuhn.

Jankuhn wiederum ist Gesellschafter der Low Spirit Recordings GbR, ferner Co-Produzent und Co-Texter eines Titels namens „One World – One Love Parade“ – die aus den Charts bekannte offizielle Love Parade-Hymne 2000. Die anderen beteiligten Künstler sind Westbam und Matthias Roeingh, alias Dr. Motte.

Dr. Motte, Westbam und Jankuhn haben auch die offiziellen Love Parade-Titel „Music is the Key“ (1999), „One World, One Future“ (1998) sowie „Sunshine“ (1997) produziert. Erschienen sind die Titel auf dem Label Low Spirit Recordings. „Sunshine“ schaffte es sogar bis auf Platz 5 der deutschen Charts. Auffällig ist, daß der sich in letzter Zeit zunehmend kritisch gegenüber der Durchführung der Love Parade äußernde Dr. Motte auf der diesjährigen Love Parade CD-Compilation nicht mehr vertreten ist: Die Familie gibt es und sie nimmt es („We are one family“, Love Parade-Motto 1996). Produzenten der offiziellen Hymne „You can’t stop us“ unter dem nebulösen Pseudonym „The Love Committee“ sind Westbam und Jankuhn.

DJ Dick produzierte Mitte der 90er einige Techno-Tracks auf Low Spirit, zeigte sich als Grafiker für Low Spirit Plattencover verantwortlich, heute soll er bei Planetcom arbeiten. In der Szene sagt man „wo Westbam draufsteht, steckt Dick dahinter“. Sandra Mollzahn wird ebenfalls als Low Spirit-Gesellschafterin gehandelt (taz, a.a.O.).

Dr. Motte kennen wir auch als Esoterik-Guru, „Erfinder“ und – wen wundert’s – Gesellschafter der Love Parade GmbH.

Fünfter Gesellschafter und Geschäftsführer der Love Parade Berlin GmbH ist wiederum Dr. Andreas Scheuermann, seines Zeichens auch Rechtsbeistand von Mayday GmbH und Low Spirit (taz, a.a.O.). Darüber, wie er in den Status eines Gesellschafters gelangte, gibt es in der Szene einschlägige Gerüchte.

Wie ist es möglich, daß keine der ehrenwerten verfilzten Gesellschaften dabei aus dieser „Demonstration“ Gewinn erwirtschaftet – und sie dabei doch Dr. Motte „reich gemacht“ hat (Berliner Morgenpost vom 17. Mai 2001, „Dr. Motte von der Love Parade“)?

Im genannten Beschluß des Verwaltungsgerichts wird die GmbH zitiert: „Es sei aber unzutreffend, daß diese GmbH die Vermarktungsrechte für die Love Parade innehabe“. Stimmt, denn die hat Planetcom an die (mittlerweile insolvente) Sunburst AG verkauft. Zitat aus einer Firmen-Selbstdarstellung:

Sunburst hat Verträge mit weltweiten Event-Veranstaltern. So besitzt Sunburst beispielsweise die Rechte an der jährlich stattfindenden Love Parade in Berlin. Hierfür hat Sunburst unterschiedliche Produkte kreiert. 1999 konnte Sunburst auf der Love Parade in 24 Stunden einen Umsatz von insgesamt 1,2 Mio. DM erwirtschaften.“

http://www.sunburst.de/deutsch/pix/faqs_dl.pdf

Wir erinnern uns, daß Love Parade-Devotionalien nur am Tag der Love Parade selbst verkauft werden. Daß es aber die Love Parade inzwischen nicht nur einmal im Jahr gibt: Das Produkt „Love Parade“ findet man nunmehr auch in Wien, Newcastle, Moskau, Tel Aviv und Kapstadt. Und bald schon in Mexiko und Barcelona …

Und so können wir mit einem Zitat von Jürgen Laarmann, ehemaligem Love Parade-Gesellschafter, schließen:

„Das vorgelegte Zahlenwerk berücksichtigt allerdings nicht die Geschäfte der Love-Parade-Gesellschafter untereinander. Auch liegen die Einnahmen aus dem Verkauf der Love-Parade-Tonträger über das Label Low Spirit (an dem Love-Parade-Gesellschafter beteiligt oder assoziiert sind) vermutlich erheblich höher als der Teil, der allein an die Parade zurückgeführt wird. Das könnte das scheinbar altruistische Durchhaltevermögen angesichts der angekündigten Verluste in diesem Jahr erklären.“

Spiegel-Online vom 20. Juni 2001, „Zahlenspiele und Liebesstrategien

You can’t stop us?

Daher können wir unsere Forderungen nur bekräftigen:

  • Wir fordern die vollständige Offenlegung der Finanzen der Love Parade Berlin GmbH und ihrer Sub- und Schwesterunternehmen. Es kann nicht angehen, daß Planetcom den Status einer Demonstration anstrebt, gleichzeitig offenkundig Millionengewinne erwirtschaftet, sich aber immerzu als „der Geist, der stets verneint“ jeder Verantwortung zu entziehen versucht.
  • Wir fordern, die Konzern-Profite nicht noch weiter mit Steuergeldern zu fördern (vgl. Berliner Morgenpost vom 7. Juli 2001, „Halbe-halbe: Einigung: Kosten der Love Parade werden geteilt“).
  • Wir fordern ein Ende der Raver-Verarschung mit leeren Worthülsen, mit ihrem universellen Repräsentationsanspruch „des“ Techno, mit möglichst unverfänglichen Motti, oder neuerdings mit den unerträglichen Polit-Pop-Parolen, die letztlich mit ihrer „Prada-Meinhof“-Mentalität zu einer Entpolitisierung echter Themen führen.
  • Wir fordern: Love Parade raus aus dem Tiergarten!

Erst wenn die Love Parade gelernt hat, ehrlich, offen und verantwortungsbewußt aufzutreten, kann sie als kommerzielle Veranstaltung an einem umweltverträglichen Ort vielleicht die verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Ihren Spirit hat sie, im wahrsten Sinne des Wortes, schon lange verkauft (vgl. Sven Väth).

Im April war zu lesen: „Berlin braucht die Love Parade und die Love Parade braucht Berlin“. Gestern drohte Planetcom wieder einmal mit Liebesentzug, dem Fortgehen aus Berlin – wenn sie ihren Demonstrationsstatus vom Bundesverfassungsgericht aberkannt bekommen und es somit bundesweit verspielt haben, diesmal sogar ganz aus Deutschland. Um mit Dr. Motte’s Worten zu sprechen: „Die sollten mal eine neue Platte auflegen. Und nicht immer nur rumheulen“ (zitiert in der Süddeutschen Zeitung, 1. Juni 2001: „Durchdrehende Kulturen“). Erwartungsgemäß ließen die üblichen Reaktionen nicht lange auf sich warten: „Um Gottes Willen, das darf nicht passieren“ (die Pressesprecherin der Berlin Tourismus Marketing Gesellschaft gestern in der ursprünglichen, nun nachträglich geänderten Fassung der Berliner Zeitung).

Berlin braucht die Love Parade“ – darüber kann man geteilter Meinung sein. Aber wer braucht denn schon Planetcom und Love Parade GmbH? „Die vermarkten sich schlecht und treten arrogant auf“ (Berliner Zeitung, ebd.). Es gäbe sicherlich einige Eventagenturen, die sich die Finger nach einem solchen Millionenprojekt lecken und die Credibility in der Techno-Szene haben, es halbwegs authentisch durchzuführen. Vielleicht wäre das die Chance für die Veränderung, die die Love Parade so dringend braucht.

Auch lesenswert:

Berliner Zeitung (02.07.1997): Ein Mister Love Parade spricht nicht über Geld

Nachtrag: Seit 2002 ist Fabian Lenz auch Geschäftsführer der Love Parade GmbH.

Kontakt

Martin Kliehm (DJ Trauma XP)
berlin@fuckparade.org, www.fuckparade.org