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Rückblick Fuckparade 2006

Rückseite eines Wagens mit Transparent „Laßt Freiräume frei“Dr. Motte mit MikrophonWagen mit Transparenten „Fickt doch Euer Geld!“ und „Rettet das Bethanien“

Bei der Fuckparade am vergangenen Samstag zogen 3.000 Demonstrierende für einen lebenswerten Kiez durch Berlin-Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain. Insgesamt gab es 13 Redebeiträge, darunter auch eine recht politische von Dr. Motte und von alternativen Wohnprojekten wie der K86 oder dem Bethanien. Gerade deren Mitwirkung und Akzeptanz der Fuckparade als Plattform für ihre Forderungen hat uns sehr gefreut!

Besonders gelungen war, daß viele Teilnehmende aktiv Demo-Flyer an Touristen und Passantinnen am Straßenrand verteilt und mit ihnen ins Gespräch gekommen sind. Selbst Dr. Motte wurde mit einem Stapel der kommentierten Wegstrecke beim Verteilen gesichtet. Manche Menschen am Straßenrand haben vielleicht trotz der politischen Transparente an den Wagen diese nützliche „Übersetzungshilfe“ gebraucht.

Gut angekommen ist auch die CD, die wir kostenlos oder gegen eine freiwillige Spende verteilt haben. Wer keine bekommen hat, kann auch die Titel herunterladen (ZIP, 115 MB). 14 internationale Künstler hatten zum Teil eigens für diese CD Stücke produziert, welche die Themen der Fuckparade widerspiegeln. Sie sind GEMA-frei und dürfen im Rahmen einer Creative Commons Sampling Plus 1.0 Lizenz verwendet werden.

Creative Commons Lizenz: Some Rights Reserved

Pressereaktionen

Wie erwartet waren die Pressereaktionen zweigeteilt. Hier zwei Beispiele:

Auf zehn Musiktrucks und etwa 1.500 Leute, die durch Mitte und Kreuzberg zogen, hat es die Fuckparade dieses Jahr geschafft. Absehbar ist, dass es nächstes Jahr mehr sein werden. Denn den TeilnehmerInnen der Parade geht es um was: Sie wollen den kommerziellen Ausverkauf der Innenstädte durch Investoren und Bürokraten stoppen. Sie wollen „lebenswerte Kieze“. Sie wollen, dass die Politik ein tolerantes Umfeld fördert, in dem subkulturelle Minderheiten unterstützt werden. Sogar Dr. Motte, der Love-Parade-Initiator, war dabei. Sein Credo: Viele hätten den Glauben an die Politiker verloren. Um Frieden in der Gesellschaft zu schaffen, müssten die Leute das Heft wieder selbst in die Hand nehmen.

taz (31.07.2006): Lauter Protest: 1.500 echte Technofans bei der Fuckparade

Sie sind für Graffiti, alternative Wohnprojekte und illegale Partys. Gegen Drogenhysterie und Behörden. Etwa 1150 Anhänger der Fuckparade zogen gestern durch Berlin – begleitet von etwa 350 Polizisten. Geschätzte Kosten des Polizei-Einsatzes: 100.000 Euro. Natürlich Steuergelder. Wie paralysiert tanzten die Demonstranten zu Techno, Hardcore und Gabba. Viele waren in Schwarz gekleidet. Dazu Ganzkörper-Piercings, zerrissene T-Shirts.

B.Z. (30.07.2006): Diese Quatsch-Demo (für Drogen und Graffiti) kostet uns 100.000 Euro

Unsere erste Reaktion auf den B.Z.-Artikel war: „Ganzkörper-Piercings? Wo kriegt man sowas?“. Da die Regenbogenpresse sicher bessere Kanäle zur Polizei hat als wir, fanden wir es interessant, daß bei uns 350 Polizisten eingesetzt gewesen sein sollen. In den offiziellen Polizeiunterlagen von 2002, in die wir Einsicht hatten, war „nur“ von 200 die Rede.

Aber es war gewiß notwendig, die Bundesdruckerei, den Springer-Verlag und andere Objekte derart personalaufwendig zu schützen. Die Fuckparade ist ja dafür bekannt, daß ganzkörper-gepiercte Suizidkommandos diese Ziele stürmen und entlang der Wegstrecke nur qualmende Ruinen zurücklassen. Komisch nur, daß andere Städte mit viel weniger Personal auskommen und dieses viel mehr im Hintergrund bleibt …

Wenn in der Vereinfachung für den IQ des durchschnittlichen B.Z.-Lesers ein wenig die Wahrheit auf der Strecke bleibt, muß man wohl damit leben. Pressefreiheit ist auch Demokratie. „Da die Fuckparade offiziell als Demo gilt, kann sie nicht verboten werden.“ Wenigstens so viel Demokratie versteht die Springerpresse.

Vielleicht sind wir auch einfach zu penibel, wenn wir einen Unterschied sehen zwischen „für Drogen und Graffiti“ und unserer Formulierung „gegen Drogenhysterie und überzogene Verfolgung und Kriminalisierung von Graffiti-Künstlern“. Sind wir zu kleinlich, wenn wir finden, „gegen Behörden“ verfälscht unsere Aussage „gegen Behördenschikanen“? Oder ist der Springer-Verlag so nachtragend, weil wir seine Doppelmoral und stereotype Darstellung der Jugendkultur kritisieren? Freut uns, denn offenbar werden wir wahrgenommen!

Hunderte von Demonstrierenden und einige der WagenFlaschensammlerDemonstrierende am Checkpoint Charlie

Kontakt:

Martin Kliehm (DJ Trauma XP)
trauma@fuckparade.org, www.fuckparade.org