Fuckparade 2001

14 july 2001 @ berlin.de  •  5 jahre hateparade


Frankfurt am Main, den 21.05.2001

An den Polizeipräsidenten
Versammlungsbehörde
Platz der Luftbrücke 6
12096 Berlin


Betrifft: Fuckparade/ Hateparade

Gegen die Verfügung GZ.: LKA- 521-07702/140701 vom 14.05.2001, zugestellt per Fax am 15.05.2001, mit der Sie meinem Mandanten die Entgegennahme und Bestätigung der geplanten "Fuckparade 2001" versagten, lege ich hiermit namens und in Vollmacht des Herrn Martin Kliehm, alias Trauma XP, Frankfurt,

Widerspruch

ein.


Begründung:

Hinsichtlich der Begründung wird zunächst in vollem Umfang auf das Fax/Schreiben vom 10.05.2001 Bezug genommen, dessen Inhalt am Ende nochmals wiedergegeben ist.

Der Bescheid vom 14.05.2001 setzt sich inhaltlich mit der Demonstrationseigenschaft der Love Parade auseinander, nicht mit der Demonstrationseigenschaft der Fuckparade/ Hateparade.

Die Fuckparade/Hateparade stellt keine Ansammlung dar.

Der Widerspruchsführer hat nicht, wie im Bescheid ausgeführt, die Ansicht geäußert: "...wenn eine Vielzahl der Teilnehmer die Botschaften nicht verstünde und nur tanzen wolle, so könne ihm das nicht zum Nachteil gereichen".

Unklar ist, was die Behörde damit sagen will, weil sie hierzu keine Ausführungen macht.

Wenn die Behörde damit zum Ausdruck bringen will, daß kein Mittel der Artikulation oder keine Artikulationsform vorliegt, wird dem entgegengetreten.

Gerade der Einsatz nichtgeistiger Mittel ermöglicht die in der politischen Auseinandersetzung besonders für sonst einflußlose Minderheiten geforderten realen Wirkungschancen (vgl. BVerfGE 69, S. 315 ff., S. 347).

Die Kommunikationschancen des "Auf-sich-aufmerksam-machens", des "Gehörtwerdens", der Aufruf an die Allgemeinheit zur Stellungnahme in einer politischen Auseinandersetzung ist gerade von der Wahl der Mittel abhängig.

Die Mittel bestimmen in besonderem Maße die Möglichkeit der Einwirkung auf die Öffentlichkeit.

Die Meinungsäußerung der Hateparade/ Fuckparade wird anders als bei der Love Parade verständlich durch die Musik artikuliert, wobei die Musik auch als Mittel die realen Wirkungschancen des "Gehörtwerdens" der Hateparade/ Fuckparade erst ermöglicht.

Davon unabhängig haben die Sprechgesänge der rappenden MCs (Sprechsänger), sowie eingesampelte Textpassagen der verschiedenen gespielten Tracks (Musikstücke), die die Themen der Demonstration mit Wörtern darstellen, darüber hinaus auch die von der Versammlungsbehörde geforderte Artikulationsform, sind jedoch untrennbar mit der Musik verbunden.

Selbst wenn der Widerspruchsführer die o.g. Äußerung getätigt hätte, so widerspräche dieses nicht einer Demonstrationseigenschaft, da Mittelfreiheit besteht und Kommunikationschancen eröffnet wären.

Unzutreffend ist die Ansicht, das "Motto, zu der die Musik gespielt wird" sei beliebig austauschbar, "beim Zuhörer werde kein inhaltlicher Bezug zu bestimmten Themen geschaffen" und "die Musik könne keine innere Verbindung" zu andere Demonstranten ("Tanzende") erreichen. Die Musik wird nicht zu einem Motto gespielt, sie ist Inhalt und Mittel der kollektiven Meinungsäußerung.

Unzutreffend ist, daß sich die Rolle der Teilnehmer auf das Zuhören und Tanzen beschränkt, sowie daß das "Anliegen" der Fuckparade/ Hateparade in der "Begleitung" der Teilnehmer mit Aufzugswagen besteht, von denen Technomusik gespielt wird und die Absicht einer bloßen gemeinsamen Feier vorliegt.

Bei der Love Parade kann eine wohl hiermit angedeutete Unterscheidung zwischen den "Teilnehmern" und den "Wagen" erfolgen, ähnlich den "Besuchern" eines Freiluftkonzerts und den "Akteuren".

Bei der Fuckparade/ Hateparade ist dieses nicht der Fall. Da die Musik gleichsam Mittel der Meinungsäußerung und Meinungsäußerung aller versammelten Personen darstellt, besteht keine Trennung. Dieses manifestiert sich auch äußerlich in der Tatsache, daß die Wagen keiner Auswahl hinsichtlich Attraktivität für Sponsoren unterliegen, wie bei der Love Parade.

Es handelt sich bei der gespielten Musik, ebenso wie bei der im Bescheid aufgeführten ("Breakcore, Speedcore, Brutalcore, Hardcore, House, Techno Acid"), anders als bei der Love Parade, nicht um einen einheitlichen "Musikmix, wie er in Techno-Discotheken überall auf der Welt gespielt wird", sondern um nicht einem Massengeschmack entsprechende Musikstile als Darstellung und Ausdruck der Vielfalt der Subkultur. Selbst vergleichsweise "kommerzielle" Stile wie Techno und House-Musik sind in der Art, wie sie auf der Fuckparade/ Hateparade vertreten sind, minderheitliche Sonderformen, die sich von dem "Musikmix, wie er in Techno-Discotheken überall auf der Welt" gespielt wird, deutlich unterscheidet. (Vgl. beispielsweise die auf der Homepage des Widerspruchsführers, alias Trauma XP, bereitgehaltenen Musikdateien unter www.bembelterror.de)


1. Themen der Fuckparade / Hateparade

Die Fuckparade/ Hateparade beinhaltet gemäß Anmeldung vom 19.03.2001 die Themen:

  • Keine Zensur durch Kommerz,
  • Love Parade raus aus den Tiergarten,
  • Leben statt Hauptstadtwahn,
  • Keine Party ist illegal.

Auch bezieht sich die angemeldete Demonstration inhaltlich auf die Themen der vorhergegangenen Demonstrationen der Fuckparade/ Hateparade 12.07.1997, 11.07.1998, 10.07.1999, 08.07.2000. (Hierzu im Einzelnen auch: http://www.fuckparade.de)

"Auf der Fuckparade/ Hateparade sind Musikstile vertreten, die nicht vom massen-konsumier- und vermarktbaren Mainstream diktiert werden, sondern nicht kommerzielle, von den Teilnehmern gelebte, ohne kommerzielle Interessen verfolgte Stile der elektronischen Musik und des Punkrocks; diese Musikstile sind zugleich Ausdruck der Lebensart und des Lebensgefühls dieser Subkulturen, sie sind keine bloße Freizeitbeschäftigung, sondern Geisteshaltungen.

Diese subkulturellen Minderheiten werden gerade in Berlin immer weiter aus ihren angestammten urbanen Wohn- und Lebensgebieten verdrängt, ihre Sozialisationsräume werden zerstört. (Zur Bedeutung dieser s.g. "Dritten Orte" vgl. Ray Oldenburg, The Great Good Place, 3. Aufl. 1999). Die kommerzielle Vermarktung eines weiten Teils des Techno, wie sie gerade durch die Love Parade mit ihrem monopolistischen Repräsentationsanspruch "des Techno" dargestellt wird, sowie die städteplanerische Entwicklung führen dazu, daß diese Minderheit mit ihrer Musik und Lebensform behindert wird, da mangels finanzieller Ressourcen und auch der bewußten und gewollten Verneinung von Kommerzialität, wie zum Beispiel der Ablehnung von Werbungssponsoring, keine Räume, Locations etc. für diese Minderheit zur Verfügung stehen, was zur Segregation führt.

So wird städteplanerisch in Berlin nicht darauf geachtet, den Lebensraum für Minderheiten zu erhalten oder zu schützen, sondern es erfolgt eine Verdrängung aus gesamten Vierteln, indem diese Viertel städteplanerisch verändert werden für eine Zielgruppe, die sich durch hohe finanzielle Mittel und kommerzielle kulturelle Interessen auszeichnet. Dadurch wird der Raum für Eigenheit und Vielfalt gewachsener urbaner gesellschaftlicher Minderheiten, die die Subkultur darstellen, welche Triebfeder und Keimzelle der Hochkultur ist, systematisch zerstört."

"Einhergehend mit dem radikalem Wandel durch städtebauliche Konzeption wird der Wandel der Viertel darüber gestützt und vorangetrieben, daß private Sicherheitsdienste engagiert und Videokameras installiert werden, was dazu führt, daß der Öffentliche Raum, der zur Kommunikation und Verwirklichung von Lebensvorstellungen zur Verfügung steht, als solcher nicht in diesem Sinne wahrgenommen wird, da die Bürger der ständigen Kontrolle ihres zulässigen Handelns ausgesetzt sind."

"Die Fuckparade/ Hateparade wendet sich gegen die Verdrängung der kulturellen und politischen Betätigungs- und Ausdrucksform dieses "Untergrunds" und gegen die Zerstörung des Öffentlichen Raumes."

"Zusammentreffen und Parties, die mangels finanzieller Möglichkeiten nicht in angemieteten Räumen stattfinden können, sondern auch unter freiem Himmel oder in Industrieruinen, werden nicht geduldet, sondern sofort aufgelöst, ohne daß der Ermessensspielraum der zuständigen Behörden beachtet wird, da die Art der Lebensform nicht in die "neugestalteten" Viertel zu passen scheint. Die Bedeutung für das Leben der Menschen dieser Subkultur, ihre Innovationskraft und das Potential zur Erschließung von neuen Räumen für eine lebendige Kultur wird somit verkannt."

"So wendet sich die Fuckparade/ Hateparade exemplarisch auch gegen die Schließung des von der Ordnungsbehörde lange Zeit tolerierten "Bunker" (ein leer- und freistehender Bunker aus dem 2. Weltkrieg in Berlin Mitte, Albrechtstraße, Ecke Reinhardtstraße) als Veranstaltungsort des unkommerziellen Techno, als Übungsraum und als Versammlungsortsangebots für andere Minderheiten, der aus Gründen der Nähe zum Regierungsviertel, der "Neuen Mitte" Berlins, nicht aus Gefahrenabwehrgründen geräumt worden ist." (Themen der Demonstration u.a.: Leben statt Hauptstadtwahn/ Keine Zensur durch Kommerz/ Keine Party ist illegal)

"Die Fuckparade/ Hateparade wendet sich daneben zudem gegen die Unterwanderung von bestimmten Musikstilen durch Rechtsradikale; unterwandert wird gerade elektronische Musik, EBM, Industrial, Dark Wave, Gothic, Techno und auch Punkrock. Von Zielen und Inhalten des rechtsradikalen Gedankenguts distanziert sich die Hateparade/ Fuckparade ausdrücklich und warnt vor der Gefahr, daß rechtsradikale Gruppierungen Musikveranstaltungen durchführen, um indirekt für ihr Gedankengut anzuwerben (vgl. laufende Untersuchung des Archivs der Jugendkulturen e. V. Berlin zu diesem Thema www.jugendkulturen.de)." (Thema: Gegen Nazis)

"Auch wendet sich die Fuckparade/ Hateparade gegen die Sinnlosigkeit der Selbstinszenierung der Love Parade, die aus einer wirklichen Demonstration zum umweltgefährdendem Karneval mutiert ist und dabei von Veranstalterseite rein kommerzielle Zwecke verfolgt, dabei aber den Schutz als Demonstration genießen möchte." (Thema: Love Parade raus aus dem Tiergarten)


2. Zur Demonstrationseigenschaft der Fuckparade/Hateparade im Rahmen des Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG, § 14 VersG

a) Zur Anmeldungsfreiheit

Die Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG bezeichnet das Zusammenkommen mehrerer Menschen zu gemeinsamer Zweckverfolgung, wobei eine Mehrheit von Personen nur dann eine Versammlung darstellt, wenn sie den Zweck der Bildung oder Äußerung von Meinung verfolgt und dieser gemeinsame Zweck die Anwesenden verbindet (BVerfGE 82, S. 34 ff. S.38).

Meinung im Sinne der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG sind Ansichten, Auffassungen, Überzeugungen, Wertschätzungen, Stellungnahmen zu allen möglichen sachlichen Gegenständen und Personen, gekennzeichnet durch das Dafürhaltens und Meinens (BVerfGE 30, S. 336 ff., S. 352).

An der Fuckparade/ Hateparade werden weit über 3000 Personen teilnehmen, eine zusammenkommende Mehrheit von Menschen liegt somit vor.


Die Fuckparade/ Hateparade verbindet auch den Zweck der Bildung und Äußerung von Meinung:

Die oben dargestellten politischen Meinungen und Forderungen der Teilnehmer werden durch die Musik und konkrete Aktionen als gleichzeitige Form und Aussage ausgedrückt und haben eine funktionale Bedeutung:

So ist die Musik, die von den Wagen gespielt wird, zugleich Inhalt der Meinungsäußerung als auch immanentes Mittel der Meinungsäußerung. Die Teilnehmer machen durch die gemeinsame Streckenbegehung und die zu spielende Musik auf die Bedrohung ihrer Musik und Kultur als Minderheit und die Berliner Mißstände hinsichtlich der Verdrängung von Subkultur aufmerksam. Es handelt sich hierbei um eine geistige Auseinandersetzung. (Themen der Demonstration u.a.: Leben statt Hauptstadtwahn/ Keine Zensur durch Kommerz/ Keine Party ist illegal)

Die sich fortbewegende Art der Durchführung der Versammlung stellt eine Okkupation oder Rückgewinnung des Öffentlichen Raumes trotz/gegen Verdrängung und Überwachung dar. (Themen der Demonstration u.a.: Leben statt Hauptstadtwahn/ Keine Zensur durch Kommerz/ Keine Party ist illegal)

Die (Wagen-) Routen der Versammlung sind gewählt worden, so daß sie durch die am meisten vom Wandel betroffenen Stadtviertel und an den Locations/Clubs entlang führt, deren städtebauliche Veränderung für die dort gewachsene Subkultur, zu der auch der nicht kommerzielle, authentische Teil des Techno gehört, durch die steigenden Mieten und den oben benannten radikalen Wandel bedroht werden. Insbesondere führt der Zug an kommerziellen und unkommerziellen Technoveranstaltungsorten vorbei.

Der Getränke"verkauf" bzw. -"kauf" von Musikwagen heraus stellt allgemein erkennbar als Gegenbeispiel zur Love Parade dar, wie der generelle Müll auf Demonstrationen und auch auf der Love Parade umweltfreundlich durch Pfand vermieden werden kann und prangert durch den bewußten Selbstkostenpreis die Kommerzialität der Love Parade, insbesondere ihre Vermarktung an. Auch wendet sie sich direkt gegen die "Geschäftspraktik der Love Parade, dem Personal der Berliner Reinigungsbetriebe Uhren zu schenken, um Unmut zu vermeiden, statt umweltfreundliche Lösungen für die Allgemeinheit anzubieten". (Thema: Love Parade raus aus dem Tiergarten)

Die Abschlußkundgebung soll auf dem Alexanderplatz erfolgen, da hier der Sitz der Firma Love Parade Berlin GmbH ist, der "Vermarktungsgesellschaft" der Love Parade. Die Wahl dieses Ortes erfolgte als direkter Ausdruck "gegen die Kommerzialisierung des Techno, dargestellt durch die Love Parade". (Themen der Demonstration u.a.: Leben statt Hauptstadtwahn/ Keine Zensur durch Kommerz/ Keine Party ist illegal/ Love Parade raus aus dem Tiergarten)

Die Wahl des 14. Juli erfolgte als direkter Ausdruck als Gegendemonstration gegen die Love Parade, da dieses der bekannte alljährliche Veranstaltungstag (zweites Juliwochenende) der Love Parade in Berlin ist/war. (Themen der Demonstration u.a.: Keine Zensur durch Kommerz/ Love Parade raus aus dem Tiergarten)

Zugleich werden im Laufe der Durchführung Flyer (Handzettel/ Flugblätter) an Passanten verteilt werden, auf denen die o.g. Themen bzw. Inhalte und Forderungen nochmals schriftlich wiedergegeben sind.


Unzutreffend ist die von der Versammlungsbehörde geäußerte Ansicht, unter den Schutz von Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1 VersG könnte generell nur eine Versammlung fallen, bei der Redebeiträge überwiegen:

Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur sind vielfältige Formen des gemeinsamen Verhaltens geschützt.

Gegenstand, Inhalt und Mittel der Meinungskundgabe sind beliebig, ansonsten würden auch Schweigemärsche, Mahnwachen, Mahnfeuer, Menschenketten etc. als Demonstration ausscheiden (vgl. Kunig, in: v. Münch/ Kunig, GG, Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 8 GG, Rdnr. 14; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, Art. 1-19, 1996, Art. 8 GG, Rdnr. 14; Kloepfer, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VI - Freiheitsrechte, 1989, § 143, Rdnr. 24).

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Brokdorf-Beschluß ausgeführt, daß Art. 8 GG Versammlungen und Aufzüge als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung schützt; auch physische Mittel können durch eine nonverbale Ausdrucksform Meinungen kollektiv sichtbar machen ( BVerfGE, 69, 315 ff., S. 343) Sitzdemonstrationen). Eine verbale Ausdrucksform ist nicht Schutzvoraussetzung (BVerfGE 87, S. 399 ff., S. 406).


Auch hat die Fuckparade/ Hateparade nicht den Charakter einer ungeschützten Ansammlung:

Eine Ansammlung von Menschen liegt vor, wenn ein Zusammenkommen vorliegt, das zwar der Verfolgung gleicher Zwecke dienen kann, bei der es aber an der innerlichen Verbindung im Hinblick auf die Zweckverfolgung als einer gemeinsamen fehlt (vgl. BVerwGE 56, 63 ff., S. 69).

So werden rein unterhaltende, insbesondere kommerzielle Veranstaltungen nicht als Demonstrationen angesehen, weil der verbindende Zweck im Konsumieren und nicht im Teilhaben liegt (Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Kommentar, Bd. I, Art. 8, Rdnr. 51).

Wobei auch eine Gruppenbindung im gemeinsamen Konsumieren bestehen kann, ähnlich wie bei Fußballfans in einem Stadion, der verbindende Zweck besteht hier jedoch im gemeinsamen vorrangigem Interesse des Spannungskonsums, was als Zweck im Sinne des Demonstrationsrechts nicht ausreicht.

Ebenso wird das Zusammenkommen bei dem Mauerfall in Berlin im November 1989 z.T. als Ansammlung eingestuft, da hier die freudige Neugier und der Wunsch, an einem geschichtsträchtigen Ereignis beobachtend (und feiernd) teilzunehmen im Vordergrund stehen, nicht aber eine gemeinsame Willensbekundung (v. Münch, a.a.O., Rdnr. 15).

Die Fuckparade/ Hateparade macht durch eine nonverbale Ausdrucksform die o.g. Meinung der gesamten Teilnehmer sichtbar, sie stellt eine kollektive Meinungskundgabe durch Musik und Aktionen dar. Die Musik ist dabei Inhalt und Mittel der Meinungsäußerung. (Daneben ist die Musik der Fuckparade/Hateparade künstlerisches Ausdrucksmittel, Instrument und Artikulation der teilnehmenden DJs und Live-Künstler.)

Die Fuckparade/ Hateparade hat keinen rein unterhaltenden Charakter und keine kommerziellen Interessen.


Der z.T. gegen die Love Parade als Versammlung vorgebrachte Einwand der Ansammlung greift für die Fuckparade/ Hateparade nicht:

Zwar sollen nach Ansicht des VG Hannover auch die sogenannten "Chaostage" unter den Demonstrationsbegriff fallen, wenn die Teilnehmer das gemeinsame Anliegen verbindet, durch provozierendes Aussehen und Verhalten bürgerliche Ordnungsvorstellungen in Frage zu stellen und ihre eigenen Lebensstile dagegen zu setzen. (VG Hannover NvwZ-RR 1997, S. 623).

Teilweise wird in der Literatur bereits die gemeinschaftliche Inszenierung eines Lebensgefühls "Love Parade" unter den Demonstrationsbegriff subsumiert (Dietel/ Gintzel/ Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, Kommentar zum Gesetz über Versammlungen und Aufzüge vom 24. Juli 1953, 12. Auflage 2000, § 1 VersG Rdnr. 19).

Unabhängig der beiden vorbenannten Ansichten ist die Grenze jedoch dann zu ziehen, wenn eine kollektive Selbstinszenierung vorliegt, deren Selbstzweck die aktuelle rein private Selbstinszenierung an sich ist, da hier ein Volksfest oder bezogen auf die "Love Parade" ein Karnevalsumzug und Volksmarsch moderner Herkunft vorliegt (vgl. hierzu auch Diskussion der Berliner Parteien, Berliner Zeitung vom 18.04.2001, http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/berlin/.html/30816.html).

Sinn und Zweck erschöpft sich bei der Love Parade, zum Teil selbst anders als bei den o.g. Chaostagen, in der bloßen Herbeiführung eines konkreten Lebensgefühls (ähnlich Deger, Sind Chaos-Tage und Techno-Paraden Versammlungen?, NJW 1997, S. 923 ff., S. 924), nicht in der Darstellung eines geforderten Lebensraumes zur Verwirklichung eines bestehenden Lebensgefühls.

Das grundsätzliche "Motto" der Love Parade, welches zum Ausdruck bringt, friedlich zu sein trotz Massenaufkommens von Menschen, ist keine Meinungsäußerung, die unter den Schutz des Demonstrationsrechts fällt, sondern beschreibt nur die Voraussetzungen des Schutzes hinsichtlich der Mittel, nämlich gemeinsam und friedlich zu sein. Eine darüber hinausgehende Meinungsäußerung besteht jedoch nicht, da sich diese somit darin erschöpft, sich selber als Demonstration zu bezeichnen.

Auch das nunmehr dieses Jahr "erweiterte Motto" der Love Parade "Join the Love Republic" hat keinen Inhalt, der eine Versammlung kennzeichnet, sondern zählt weiterhin nur die zulässigen Mittel auf. So bezeichnet sich die Love Parade ausdrücklich als Feiertag. Dieser ist aber keine Demonstration, da der verbindende Zweck in Form einer gemeinsamen Zweckerreichung fehlt, da es den Teilnehmern um das Zusammenkommen und -bleiben mit Personen geht, eine Außenwirkung, die über die reine Selbstinszenierung hinaus geht, nicht stattfindet.

Die Love Parade hat daher auch einen rein unterhaltenden Charakter, ähnlich einem Freiluftkonzert, zumal die Veranstalter Wagen, die sich anmelden, direkt auswählen, die Teilnehmer den Wagenzug von außen betrachten und insbesondere die Love Parade ein kommerzielles Angebot an die "Sponsoren" darstellt, Werbeflächen, Übertragungsrechte gegen Entgeltzahlung zur Verfügung zu stellen und hieraus Gewinne abschöpft.

Auch dieses ist politisches Thema der Fuckparade/ Hateparade (s.o.: Keine Zensur durch Kommerz/ Love Parade raus aus dem Tiergarten).


b.) Zur Durchführungsfreiheit

Der Schutz des Grundrechts des Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistet das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt, wobei gerade auch einer fortbewegenden Versammlung Schutz nach Art. 8 Abs. 1 GG zukommt (BVerfGE 69, 315 ff., S. 343).

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem o.g. Brokdorf-Beschluß die Gestaltungsfreiheit aus Art. 8 GG nicht nur auf die an der physisch-räumlichen Dimension orientierten Kriterien von Ort, Zeit und Form, sondern auf den Inhalt der demonstrativen Aussage bezogen (a.a.O., S. 343), auch hat das Verfassungsgericht in seinem Beschluß vom 07.04.2001 BVerfG, 1 BvQ 17/01) ausgeführt, daß nicht strafbare Äußerungen nicht Anlaß für die Beschränkung einer Versammlung nach § 15 Abs. 1 VersG sein können.

Da Inhalt und Form der Meinungsäußerung wie oben erläutert bei der Fuckparade/ Hateparade nicht trennbar sind, wird darauf hingewiesen, daß gerade das generelle Musikverbot die Meinungsfreiheit faktisch unzulässig beeinträchtigen würde, wie dieses auch bei völliger "Umleitung" der gewählten Wagenroute der Fall wäre.


Die Fuckparade/ Hateparade fällt daher als politische Demonstration unter den Schutz von Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG, § 14 VersG.

Die Erforderlichkeit einer straßenrechtlichen bzw. straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis besteht daher nicht, die Versammlungsbehörde ist zur Entgegennahme der Anmeldung und zur Kooperation verpflichtet.

Für weitere Kooperationsgespräche bzw. die Wiederaufnahme der Kooperationsgespräche stehen Ihnen Herr Kliehm und die Unterzeichnende auch weiterhin zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen,

Bock
Rechtsanwältin